: »Alle guckten zu, als die Frau verbrannte«
■ Vor den Augen vieler Passanten: Grausamer Mord an 50jähriger Palästinenserin an der Bülowstraße in Schöneberg/ Polizei fahndet nach ihrem Neffen/ Der 20jährige sollte wegen versuchter Vergewaltigung an seiner Tante vor Gericht
Schöneberg. Die 50jährige Palästinenserin Fatimah M. wurde Dienstag abend auf offener Straße ermordet. An der belebten Straßenecke Bülow-/Alvenslebener Straße beobachteten Zeugen, wie ein junger Mann auf sie einschlug, sie dann mit einer Flüssigkeit übergoß und anzündete. Sie verbrannte vor den Augen zahlreicher Passanten — niemand schritt ein. »Überall standen Leute und guckten, auch aus den Fenstern, aber die Frau ist einfach verbrannt«, erzählt ein zehnjähriges Mädchen.
Der Täter flüchtete daraufhin in einem Auto der Marke Mitsubishi Colt, das die Polizei wenig später in der Potsdamer Straße auffand und sicherstellte. Die Obduktion hat inzwischen ergeben, daß das Opfer durch Messerstiche getötet wurde, bevor der Täter sie anzündete.
Fatimah M. lebte mit ihrem Mann seit über 15 Jahren in der Bundesrepublik. Sie kamen aus dem Libanon und hatten hier politisches Asyl. Das Ehepaar hatte zehn Kinder zwischen 12 und 26 Jahren. Das jüngste wollte sie gerade von einem Kindergeburtstag bei den Nachbarn gegenüber abholen. »Normalerweise verließ sie nie allein das Haus, es waren immer andere Frauen, ihr Mann oder die Kinder dabei«, berichtet eine Hausbewohnerin. Sie weiß auch, daß in der Wohnung der M.s immer viel los war: »Da gingen ständig Leute ein und aus, ich weiß gar nicht, wer da alles gewohnt hat.«
Vor vier Jahren hatte die Polizei bereits in dem Haus zu tun. Bei einer Wohnungsdurchsuchung fand sich Heroin. Nachdem Frau M. und einer ihrer Söhne ein halbes Jahr in Untersuchungshaft gesessen hatten, wurde sie 1989 zu zwei Jahren auf Bewährung verurteilt. Schon Dienstag nacht, als Blaulichter flackerten und der Tatort bei abgesperrter Straße in gleißendes Licht von Scheinwerfern getaucht war, vermutete ein Schaulustiger: »Da spielen Drogen eine Rolle, mehr sage ich nicht.«
Unter dringendem Tatverdacht steht der 20jährige Neffe der Ermordeten, Bassam M.. Ihm gehört das Fluchtauto, auch trifft die Täterbeschreibung der ZeugInnen auf ihn zu. Bassam M. hatte vor einigen Monaten versucht, seine Tante Fatimah zu vergewaltigen. Sie erstattete daraufhin Strafanzeige. Die Anklageschrift ist gerade fertig geworden. In etwa einem halben Jahr wäre es zur Verhandlung gekommen. »Möglicherweise hat er sie deshalb umgebracht«, vermutet eine Nachbarin den Zusammenhang zwischen der Strafanzeige von Fatimah M. und dem grausamen Verbrechen. »Frau M. und ihr Mann haben sich zwar sehr gut verstanden«, weiß die Bekannte der M.s, »aber die restliche Familie war sehr zerstritten.« Auch einen Zusammenhang mit der Drogenaffaire hält sie für möglich. Die Kriminalpolizei vermutet ebenfalls Familienstreitigkeiten als Motiv für die Bluttat.
Bassam M. ist immer noch flüchtig, die Polizei fahndet mit Hochdruck nach dem mutmaßlichen Täter. Ungewiß ist jedoch, ob es sich nur um einen Täter handelt. Ein älterer Mann, der dem Geschehen als Augenzeuge beigewohnt haben will, sagte der taz noch in der Tatnacht: »Erst haben sie sie niedergestochen, dann mit Benzin übergossen, mit der Gaspistole auf sie geschossen und angezündet.« Und ein zehnjähriges Mädchen sprach gegenüber der taz von zwei Arabern, die die Tat begangen hätten. Corinna Raupach
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