Standbild: Heiße Luft

■ Schalck auf dem "Heißen Stuhl", RTLplus, Di., 22.00 Uhr

Die Einschaltquoten waren gesichert. Die „zwielichtigste aller dubiosen Figuren aus dem untergegangenen Ostreich“ ('Spiegel‘), der „geheimnisvollste und meistgehaßteste Mann des SED-Regimes“ (RTLplus) stellte sich in der RTL- Sendung „Der heiße Stuhl“ der öffentlichen Diskussion. Hatte der Devisenbeschaffer der DDR, der mit dem Verschwinden von etlichen Milliarden DM in Verbindung gebracht wird, nach seiner Flucht aus der DDR der Wende an den beschaulichen Tegernsee alle Interviews abgelehnt, betreibt er jetzt die Flucht nach vorn. „Ich habe meine Pflicht getan, ist das Unrecht?“ Die Chancen für einen interessanten, spannenden Schlagabtausch standen also gut, zudem die Papierform von Schalcks TV-Widersachern, dem PDS-Vorsitzenden Gregor Gysi, dem Ostberliner Stasi-Auflöser Hans Schwenke, dem Ex-SFB-Intendanten Lothar Loewe und dem stellvertretenden Geschäftsführer der SPD- Bundestagsfraktion Peter Struck nicht ohne war. Doch schon nach knapp zehn Minuten war die Luft draußen, war klar, daß es sich auf dem „unbequemsten Stuhl Deutschlands“ (RTL-Moderator Meyer) ganz gut sitzen läßt. Schalck stellte seine Cleverness unter Beweis und machte deutlich, daß er nicht gewillt ist, sich von den West-Fragern moralisch unter Druck setzen zu lassen. Ob er sich nicht schäme, ob er kein Gefühl der Reue zeige, wollten Struck und Loewe wissen. Schalck stellte kurz und bündig klar, daß er sich nicht für alles Schlechte in der DDR verantwortlich machen lasse, zumal er sich nicht an Verbrechen beteiligt habe. Die Frager scheiterten daran, daß Pflicht, Ordnung und Disziplin nun einmal gesamtdeutsche Werte sind und auch ein Schalck aus dem Osten für sich reklamiert, „alles anständig und korrekt abgewickelt“ und „nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt“ zu haben, „in der Absicht, der DDR und den Menschen zu dienen“. Er habe „keinen Sauladen“ geführt, in der DDR habe es „eine Ordnung gegeben, wie in jedem anderen System auch“. Die Fragen nach Spesenkassen aus dem Schuhkarton, verschenkten Autos, zu billig an Frau Honecker weitergegebene Blusen blieben stumpf.

Lediglich die beiden Ostfrager wußten, wie Schalck in Verlegenheit zu bringen ist — systemimmanent. Insbesondere Gysi arbeitete den Widerspruch zwischen Anspruch und Wirklichkeit des SED-Systems heraus. Wie Schalck das von ihm finanzierte Prominentenghetto Wandlitz mit der schlechten Versorgungslage in der DDR, oder die Waffenexporte an den Iran und den Irak oder gar an die Sandinisten und die Contras mit der immer groß herausgestellten Friedenspolitik der DDR und internationalen Solidarität vereinbaren habe können. Da mußte Schalck überlegen, gestand Fehler ein und beharrte aber immer wieder darauf, daß man ihn jetzt nicht größer machen sollte, als er damals wirklich gewesen sei.

Die wirklichen spannenden Fragen wurden nur angerissen, blieben unbeantwortet oder ganz außen vor. Warum fungierte ausgerechnet die CSU als Vermittler für den Milliardenkredit? Sind es die Kreditprovisionen an Privatpersonen, die Schalck derzeit schützen, oder seine Kontakten zum BND oder gar zu westdeutschen Elektronikfirmen, die mit seiner Hilfe illegale hochsensible Ware in den Osten transferiert haben? Querverbindungen in den Westen interessierten nicht. Statt heißem Stuhl also nur jede Menge heißer Luft. Bernd Siegler