: Von wegen Anarchie
■ David S. Wards Royalistenklamotte „King Ralph“
Die französischen Leckermäuler behaupten, die Engländer würden alles kochen, nur Jeanne d'Arc, die hätten sie gegrillt. Das stimmt natürlich nicht. In David S. Wards King Ralph wird gleich zu Anfang von einem ungeschickten Fotografen die komplette britische Königsfamilie durch ein kleines elektrisches Mißgeschick geröstet. Diesem phänomenalem Royalisten- Abgang folgt ein schwerer Schock — Punker weinen, der Premierminister jammert und Ober- und Unterhaus drängen auf eine Neubelegung des Buckingham-Palastes. Flugs werden des Königs Annalen vom einem Heer eulengesichtiger Beamten durchstöbert, ob sich nicht irgendwo ein Mensch finde, der wenigsten einen Tropfen blaues britisches Blut sein eigen nennt.
Man findet schließlich einen gewissen Ralph Jones (John Goodman), aber: der Mensch ist Amerikaner. Noch dazu einer der übelsten Sorte, ein abgehalfterter Las-Vegas- Pianist, übergewichtig mit einer Vorliebe für Hawaii-Hemden, Junk food und zwielichtige Bars. Es hilft alles nichts, der Ami wird über den großen Teich geschleppt, in Ralph I. umbenannt und als regulärer Thronfolger installiert. Lächelnd lehnt man sich zurück in der Erwartung, daß Regisseur und Drehbuchschreiber David S. Ward das Versprechen der Sex Pistols einlöst: Anarchy in the UK.
Aber nix is' mit Anarchie. Kaum steckt der dicke Rock 'n' Roller in schicken Klamotten, werden die Witze dünner. King Ralph wird immer zahmer, sein Charme reicht gerade für die Eroberung des Küchenpersonals. Doch da König-Sein ein schwerer und einsamer Job ist, verliebt er sich: in eine Bürgerliche.
Spätestens jetzt kommt einem der Verdacht, daß der Film ernst gemeint sein könnte. Was als bitterböse Komödie startete, wird zur „gesellschaftskritischen“ Schnulze. Der fette König und die schöne Miranda (Camille Coduri) können sich nur heimlich treffen, immer verfolgt von der Skandalpresse. Lieben dürfen sie sich überhaupt nicht, denn Ralph I. soll eine echte Prizessin ehelichen. Zum Schluß gibt der einstige Barpianist noch eine Probe seines Könnens, macht diesen Fauxpas aber gleich wieder wett, indem er eine ebenso flammende wie schmalzige Rede auf die Monarchie hält.
Wer bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht eingeschlafen ist, setzt sich leichtfertig dem Verdacht aus, einer dieser eifrigen Leser der Regenbogenpresse zu sein, die sich wöchentlich über die Königshäuser der Welt unterrichten und genau wissen, daß Caroline von Monaco jeden Abend vergißt, die Zahnpastatube zuzudrehen. Karl Wegmann
David S. Ward: King Ralph , mit John Goodman, Peter O'Toole, Camille Coduri u.a., USA 1990, 92 Min.
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