Treffer aus dem Untersichsein

■ Fotografien von Benjamin Katz im Haus am Waldsee

Auch der Kunstbetrieb hat seine Chronisten. Was sie abbilden, ist vor allem deshalb interessant, weil Stars posieren. Aber letztlich verhält es sich wie mit Klatschgeschichten und Anekdoten: sie taugen nur dann wirklich, wenn man die Namen vergessen kann.

Kürzlich soll ein Berliner Kurator eine Party gegeben haben. Wer in Berlin zum Kunstbetrieb gehört, sah sich dort wieder. Nun steht aber dieser Kurator seit je im Ruf, kompliziert, seif und mehr als andere von einer nervösen Unruhe geprägt zu sein. Deshalb wunderten sich alle, als dieser Mann plötzlich zur Tanzfläche schritt und dort hinschmolz, als habe die Musik ihn augenblicklich selbst erfunden. Jeder war sprachlos. Und da waren die Neider. Wer so verblüfft, zieht Konkurrenten an. Sie verrenkten ihre Glieder, mühten sich tapfer und mehrten nur den Ruhm des Gastgebers — wenigstens für die Nacht.

Aber niemand war da, das zu fotografieren: die Gesichter des Betriebes, das Gezischel, die netten Plaudereien und die possierlichen Blicke. In Köln wäre das nicht passiert. Wenn die bildende Kunst feiert, und sich offiziell inoffiziell gibt, dann ist einer immer dabei: Benjamin Katz, der Fotograf des Kunstbetriebs.

Wer im Rhein/Main-Gebiet Kunstgeschäfte macht, den hat Katz in seinem Archiv, das in fast 20 Jahren auf über 200.000 Fotos angewachsen ist. Und die besten Treffer touren nun seit über einem Jahr durch Kunstvereine, damit öffentlich wird, wie der Betrieb privat ist. Nach Eindhoven, Stuttgart, München, Frankfurt — nun als Schmankerl zum Kunstzirkus »Metropolis« auch in dieser Stadt.

Die Künstlerfürsten der 80er Jahre geben sich die Ehre und spielen Seid-nett-zueinander unheimlich privat. Sie sehen aus wie die Nachbarn im Hochparterre: immer sympathisch und freundlich. Und man ahnt nicht, wie brutal sie ihre Interessen durchsetzen, wenn's um Geschäft geht, und wie verbissen sie ihre Karriere verteidigen. Baselitz, Lüpertz, Immendorf, Graubner, Fritsch, Trockel, Oehlen, Kippenberger: Sie schauen in die Kamera eines Freundes, der immer da ist, wenn sie auch da sind; und da ist man unter sich.

Vor einiger Zeit gab es eine andere Ausstellung. Barbara Klemm stellte ihre Fotos vom Polit-Betrieb vor: Die Stars des internationalen politischen Geschäfts. Die Differnez ist abgründig. Selbst wenn man die Namen nicht kennen würde, die historischen Hintergründe vergesen hätte, so werden doch rituelle Muster, die Dramaturgie des Politischen offengelegt. Der Blick der Fotografin resultiert aus einem Sinn für das Schauspiel des Politischen und einer skeptischen Haltung dazu. So entsteht das Gegenteil von Hof- Fotografie. Klemm erfaßt den Wert des Symbolischen oder dessen Mangel. Eine Dimension, die Benjamin Katz im Hinblick auf den Kunstbetrieb völlig abgeht. Er ist darin verliebt und möchte die Lieben für's Poesiealbum festhalten, ihretwegen, weil sie so sind, wie sie sind. Klemm fotografiert Rollenträger. Katz geht es einzig um Stars. Das macht den Charme, aber auch die Blindheit dessen aus, was zu sehen ist. Und es liegt in der Natur der Sache, daß dabei unüberbietbare Treffer zustande kommen.

Benjamin Katz nennt seine Fotos selbst »brav«. Nicht zu unrecht. Sie sind so brav wie der Kunstbetrieb der 80er: aggressiv nur im Geschäftemachen, ansonsten nett und freundlich. Und wer sich bei der Anekdote vor allem für den Namen des Kurators interessiert, der hat sich für die Ausstellung qualifiziert. Da geht es nur um die Namen. Peter Herbstreuth

bis 9.6. im Haus am Waldsee, Argentinische Allee 30, 1-37, Di-So 10 bis 18 Uhr