Radical Dance Faction und The Timedrops

■ Keilerei zwischen Rastas und Rock'n‘Rollern

De La Soul ist tot, ein gewisser Dr.Alban haut uns die neue Wunderrezeptur für den marktgerechten Pop um die Ohren: »HipHop Reggae in a dancehouse-style«. Es regt sich kein Widerspruch, nur ein verhaltenes Gegenvotum aus Reading, England, belehrt uns eines Besseren: »Reggae ist die Stimme der Opposition«.

Das behauptet Chris Bowsher, die weiße Stimme der weißen Radical Dance Faction. Die Sprache, mit der sie agitieren, nennt sich »beat poetry«. Die Zwischentöne verheißen Erlösung und Heil. Das muß so sein. Denn Reggae wäre ohne Heilserwartungen kein Reggae. Das wußten bereits die Einwanderer aus Jamaika und von den Bahamas, die mit ihrer meditativen Mischung aus Ska, Calypso und Blue Beat auch ein Litanei an schwelgerischen Erlösungshoffnungen iregdnwelcher afrikanischer Medizinmänner mit nach England brachten.

So eine Heilserwartung ist relativ beliebig, und sie läßt sich daher einfach wie ein Firmenlogo austauschen. In England wurde das zuhauf betrieben. Radical Dance Faction sind ein jüngeres Beispiel hierfür. Sie setzen an die Stelle des Buschzaubers die Botschaft eines Mannes, die auch von ihm selbst nach London eingeschleppt wurde, nämlich den Marxismus.

Grund zur Opposition, »zum Kampf gegen das System«, ergo zum Reggae haben Radical Dance Faction allemal. Kann sich doch Bandmitglied Chris Bowsher auf eine ähnliche Biographie, wie sie viel der oben erwähnten Einwanderer vorweisen, stützen: Als Baby ausgesetzt, später heroinabhängig und schließlich Knast. Ein klassisch Deklassierter, der daher reimen darf: »Surplus peaple are riot what the order needs. Surplus people are grown from the revolution seed.« Was aber für meinen Geschmack lange nicht so energisch klingt wie das »Fight The Power« von Public Enemy oder die etwas leisere, aber nicht minder kraftvolle Dub-Poesie des Soziologen Linton Kwesi Johnson.

Radical Dance Faction ballen ihre Faust und rufen auf zur naiven Militanz, wie es die frühen Clash getan haben, ohenm deren peppig-freche Vitalität zu erreichen. Und behaupten dann obendrein noch ganz frech: »Roots is revolution, Rock'n‘Roll is establishment.« Wäre mir in Zeiten des Benefiz-Pop nicht eh die Lust am Gerede über Inhalte von Rock und Pop vergangen, gäbe es für diese Bemerkung der Radical Dance Faction, sagen wir einmal, die gelbe Karte. So braucht uns das nicht weiter zu interessieren.

Wenden wir usn daher einer, auf der rein synergetischen Ebene bewegenden Frage zu: Was meint die Rock'n‘Roll-Band The Timedrops, ihres Zeichens Vorband der Radical Dance Faction, zu obigen Statement. Unterstellt man den griechischen Timedrops eine südländische Gelassenheit, so wird's leider nur ein harmonischer Abend. Im günstigeren Fall gibt's eine nette Keilerei zwischen den »angepaßten« Rock'n‘Rollern und den »kämpferischen« Rastas. Josef Pichelmayer

Um 21 Uhr im Wasserturm Kreuzberg