Sachsen-Anhalt: Hell erleuchtet ohne Kernkraft

■ Siemens will neue Kraftwerksgeneration austesten/ CDU dafür/ Umweltminister dagegen/ FDP-Fraktion in der Sache uneins

Magdeburg. Kernkraft avanciert auch in den östlichen Bundesländern gänzlich zum Auslaufmodell. Nicht nur atomare Großkraftwerke wie Stendal und Greifswald gehören in die Rubrik „nicht konsensfähig“, auch kleinere Varianten haben enorme Schwierigkeiten. Statt der Großmeiler propagieren Konzerne wie die Siemens AG seit einiger Zeit Minikernkraftwerke, die mitten in den Städten stehen sollen. Die sogenannten Blockkraftwerke funktionieren nach dem Prinzip der Kraft- Wärme-Kopplung. Händeringend sucht der Konzern nach einem Standort, um das favorisierte Blockkraftwerk ausprobieren zu können. In den neuen Bundesländern, so glaubt die Konzernspitze, müßten die Kleinstmeiler wegen der Brennstoffmisere dankbar angenommen werden. Allerdings haben die Konzernherren vergessen, Wolfgang Rauls (FDP) in ihre Überlegungen miteinzubeziehen.

Der Umweltminister von Sachsen-Anhalt macht die Schotten dicht. Kernkraft komme ihm nicht ins Land, sagt er. „Meine erste Frage bei einem entsprechenden Genehmigungsantrag wäre die nach dem Entsorgungsnachweis.“ Zwar fehlt dem Minister nicht der gesellschaftliche Konsens für die Kernkraft. Die Entsorgungsfrage per se steht für ihn an erster Stelle, zumal das Endlager in Morsleben per Gerichtsbeschluß stillgelegt wurde. Auch das geplante und umstrittene Endlager Schacht Konrad bei Salzgitter im benachbarten Niedersachsen will Rauls nicht einmal als vorläufigen Entsorgungsnachweis akzeptieren. Mit dieser festen Haltung ist er der erste Umweltminister, der „Konrad“ ablehnt.

Für das geplante Atomklo wurden nach jahrelangem Streit erst gestern die Planungsunterlagen öffentlich ausgelegt; genehmigt ist es damit aber noch lange nicht. Dennoch existiert es bereits als Übergangslösung für westdeutschen Strahlenmüll bis Mitte 1993. Sachsen-Anhalts Umweltminister weiß, daß sich seine niedersächsische Kollegin gegen das Endlager entscheiden wird. „Und auch rechtlich gesehen kann niemand bisher damit rechnen, daß Konrad jemals als Endlager zur Verfügung steht“, sagt Rauls.

Damit sind die Überlegungen für Kernkraftwerke jedwelcher Art für den Umweltminister vom Tisch. Einfache Blockheizwerke kann er sich dagegen sehr gut vorstellen, aber nur, wenn sie auf Grundlage von Steinkohle funktionieren und im südlichen Teil des Landes von Braunkohle. Diese Lösung werde schon aus sozial- und wirtschaftspolitischen Gründen auf absehbare Zeit noch notwendig sein, glaubt Rauls. Auch die millionenschwere Bauruine in Stendal fügt er in sein Konzept ein, „dort könnte man ein Steinkohlegroßkraftwerk errichten“.

Auch ohne Kraftwerk, da ist sich Rauls sicher, werden in Sachsen-Anhalt nicht die Lichter ausgehen. Für eine ausreichende Energieversorgung setzt er nicht nur auf konventionelle, fossile Energien. „Wir haben im Nachtragshaushalt die Förderung der Windenergie festgelegt.“ Darüber hinaus will der Minister prüfen lassen, ob in Sachsen-Anhalt auch Erdwärme in wirtschaftlich vertretbarer Weise nutzbar zu machen ist. Mit einem ausgewogenen Mix von konventionellen und alternativen Energiequellen will Rauls das Land kernfrei halten. Allerdings muß er für seine ehrgeizigen Projekte noch kräftig die Werbetrommel im eigenen Kabinett rühren.

Seine Gegenspieler findet der Umweltminister nicht nur bei der CDU. Ministerpräsident Gerd Gies (CDU) hat alle Raumordnungsverfahren und Baugenehmigungen für die Strahlenmeiler im Kabinett zur Chefsache erklärt. Das bedeutet, daß Rauls an solchen Genehmigungsverfahren nicht beteiligt werden muß. Nur die entsprechenden Betriebsgenehmigungen, die getrennt von der Baugenehmigung für Kernkraftanlagen erteilt werden, fallen in den Zuständigkeitsbereich des Umweltministers.

Selbst von seinen Parteifreunden darf sich der Umweltminister nicht allzuviel Beistand erhoffen. Wirtschaftsminister Horst Rehberger erstellt gerade den Energieplan für Sachsen-Anhalt. Darin die Kernkraft nach wie vor einen bedeutenden Stellenwert einnimmt. Eberhard Löblich