Hier spritzt die Tradition!

■ Bürger-Initiative will kurz vor Baubeginn den Neptunbrunnen umtauschen

Nein, hier wird nicht nur mit Wasser geplätschert, es ist ein heiliger Ernst um die drei Herren in der Sakristei des St.Petri Doms: Herrn Tacke, Herrn Lamotte, Herrn Dunkake. Die drei sind eine Art Verschwörer-Initiative, jeweils Vertreter der katholischen Gemeinde, der Domstiftung und der selbständigen Kaufmannschaft und zum Kampfe entschlossen.

Alle Kraft muß voraus! Noch im Mai sollen die Bagger auf dem Domshof das Fundament für den neuen Neptunbrunnen graben. Das muß verhindert werden! Weil: wo bleiben Tradition und Grundidee!? Henry Lamotte, Vorsitzender der Domstiftung, ist ein vornehm echauffierter alter Herr und weiß die Geschichte auf seiner Seite: Was haben denn die Seeleute weiland in Not gerufen? „Christ Kyriae, komm' zu uns!“ Und das hieß nie Neptun, sondern Christ der Herr! Ein katholischer, ein Willehad-Brunnen (Willehad: Angelsachse, 787 Unterweser-Missionar, Bremen- auf-Düne-Gründer) muß also her und war auch mal geplant. Ist es jetzt nicht ein bißchen spät? Es ist nie zu spät für einflußreiche Entschlossene!! Der Brunnen ist bereits in selbstloser Weise entworfen worden von Bildhauer H.G.Bücker; das Modell steht seitwärts im Dome als himmelhochstrebender Säulen-Heiliger, an dem die Spuren moderner Brunnenkonzeption vorbeigegangen scheinen.

Egal: das Konzept der drei Herren ist wasserfest. Erst Unterschriften-, nach Pfingsten Geldsammeln vor dem Dom: etwa da, wo ab 1883 schonmal ein Willehad stand und noch stünde, wäre seine Bronze nicht in den Weltkrieg II eingeschmolzen worden. Den Sockel zerbrach man 1952. Jetzt wird er wiedergesucht von Karl-Heinz Schreiber, Sprecher der Baudeputation, SPD-Abgeordneter und überhaupt der, der damit angefangen hat, daß unsere kleine Stadt plötzlich schöner werden sollte durch einen Brunnen. 1989 startete er die Aktion „Ein Brunnen für Bremen“. Ein Wilhadi-Brunnen, ein Wilhadi- Brunnen — juchzten die Bürger in einer Weser-Kurier-Leserbrief- Wahl und wollten keine moderne Kunst. Auch stifteten sie bald um die 150 000.—, und die Stiftung „Wohnliche Stadt“ legte 250 000.— zu, und das Parlament bewilligte 100 000.— Der Landesbeirat für Kunst im öffentlichen Raum zeterte aber Mordio, als er Willehad hörte, und riet zu einer vorgabelosen Ausschreibung wegen zeitgemäßerer Kunst. Wieder durften die Bürger wählen, diesmal aber bloß zwischen zwei Meeres-Modellen, die in der Bürgerschaft standen. Sie wählten Waldemar Ottos Neptunbrunnen. So blieb Willehad auf der Strecke. Und Neptun kassiert nun Willehads Vorschuß. Ist das denn richtig? Das ist falsch! Die drei Herren raunen von Betrug — wenn ihr Willehad aber etwas überlebensgroß das Grasmarkt-Plätzchen besprudeln darf, dann räumen sie dem Neptunbrunnen zum traditionsloseren Rumspritzen eventuell die hintere Südwestecke ein. claks