Weser-Kurier verleumdet Roma-Familie

■ Unhaltbare Vorwürfe um ein Reihenhauses in Tenever / CDU und FDP glauben an üble Nachrede

„Wir wollen doch nicht wie Hunde behandelt werden“, sagt die älteste Tochter von Frau K., „seit die Geschichte in der Zeitung gestanden hat, werden wir von den Nachbarn geschnitten und von anonymen Anrufern bedroht; noch nie haben wir soviel Angst gehabt.“ Frau K. und ihre neun Kinder waren im Februar aus Oldenburg nach Bremen gezogen. Die Wohnungshilfe hatte ihnen ein kleines Reihenhaus in Osterholz-Tenever zugewiesen. Doch seit der „Weser-Kurier“ am 15. Mai in großer Aufmachung und mit Foto über ihren Umzug berichtete, ist dort die Ruhe der Reihenhaus-Idylle zerstört. Der Grund: Familie K. gehört zum Volk der Roma.

Für den „Weser-Kurier“ offensichtlich schon Anlaß genug, mit Dreck zu schleudern: „Roma schummeln beim Umzug nach Bremen“, heißt es in einer Überschrift und „Behörde zahlt 3.071 Mark für Roma-Haus“ in einer anderen. Tatsächlich hat aber weder Familie K. beim Umzug „geschummelt“, noch wird für das Reihenhaus in Osterholz-Tenever vom Sozialamt eine überzogene Miete gezahlt.

Der Reihe nach: Familie K. lebt bereits seit elf Jahren in Deutschland. Sie hat einen Fremdenpaß und damit unbefristete Aufenthaltserlaubnis im gesamten Bundesgebiet. Weil die Kinder in Oldenburg mehrmals sexuell belästigt worden waren und auch die Mutter anonyme Drohanrufe erhalten hatte, entschloß sie sich zum Umzug nach Bremen. Bei der Wohnungshilfe wurde die kinderreiche Familie vorrangig behandelt und in das von der „Bremischen“ im Auftrag des Sozialressorts gekaufte Haus eingewiesen.

Ob diese Bevorzugung berechtigt war, wird im Sozialamt zur Zeit überprüft. Den Vorwurf, Familie K. habe sich diese Bevorzugung mit falschen Angaben verschafft, weist der Chef der Wohnungshilfe, Claus Gehlhaar, jedoch zurück. Der „Weser-Kurier“ hatte ihn mit dem Satz zitiert: „Wir sind ärgerlich, daß man uns übers Ohr gehauen hat.“ Gegenüber der taz bestritt er diese Aussage: „Ich habe genau das Gegenteil gesagt. Wir fühlen uns überhaupt nicht übers Ohr gehauen.“ Die amtsinterne Überprüfung des Vorgangs habe bisher keinerlei Verdacht gegenüber Familie K. ergeben.

Auch die vom „Weser-Kurier“ gebrandmarkte angebliche „Miete“ von 2.577 Mark kalt monatlich für das 136 qm große Haus der Familie K. erweist sich bei näherem Hinsehen als Ente. Diesen Betrag zahlt das Sozialamt an die „Bremische“ nämlich gar nicht als Miete, sondern als Beitrag zum voll über Kredite finanzierten Kauf des Reihenhauses. Kleiner, aber nicht unwesentlicher Unterschied gegenüber dem bisher praktizierten Anmieten von Häusern bei privaten Besitzern: Schon nach 18 Jahren ist das Haus voll im Besitz der „Bremischen“, die wiederum der Stadt Bremen gehört.

„Das Geld bleibt also bei uns“, begründeten Sozialsenatorin Sabine Uhl und der Prokurist der „Bremischen“, Hermann Fuhse, gestern gemeinsam dieses „Mietkauf-Programm“. Sie sehen darin die einzige Möglichkeit, den über 3.500 BremerInnen, die amtlich als „Notfälle“ bei der Wohnungssuche geführt werden, schnell zu einem Dach über dem Kopf zu verhelfen.

„Eine Unterbringung in Hotels, wie sie bereits in mehreren Verwaltungsgerichts-Entscheidungen von uns verlangt wurde, wäre noch viel teurer“, sagte Uhl. Zudem könnten die von der „Bremischen“ gekauften Häuser eher „überbelegt“ werden, um mehr dringend Wohnungssuchende unterbringen zu können. So sei das kleine Reihenhaus, in das die Familie K. eingewiesen wurde, mit den zehn Personen zum Beispiel mehr als voll.

Leichtgläubig sind inzwischen die Fraktionsvorsitzenden von FDP und CDU der üblen Nachrede im „Weser-Kurier“ aufgesessen. Eine „schummelnde“ Roma-Familie scheint auch in ihr Weltbild so gut zu passen, daß sie mit Presseerklärungen losschlugen, ohne sich zuvor auch nur durch eine schlichte Nachfrage in der Behörde schlau zu machen. „Das Sozialressort schmeißt Geld zum Fenster raus“, posaunte CDU-Fraktionschef Peter Kudella und folgerte auch gleich, daß „Frau Uhl ihrer Aufgabe nicht gewachsen ist“. Und FDP- Fraktionschef Claus Jäger verkündete, „diesen Mißbrauch von Steuergeldern nicht dulden“ zu wollen. Mit dem „offenkundigen Mißbrauch von Steuergeldern bei der Unterbrindung von Roma-Familien“ leiste die „Bremische mittelbar den Vorschub, daß Mieten möglicherweise unkontrolliert erhöht werden“.

Kudella und Jäger befänden sich bei den Nachbarn der Familie K. in guter Gesellschaft. „Ich fühle mich beobachtet, seit die da sind“, sagt zum Beispiel Frau B. über Familie K. und beklagt die „Wertminderung unseres Eigenheims“. Über die Vorwürfe im Weser-Kurier hat sie sich „gefreut“. An ein Kennengelernen der neuen Nachbarn hat Frau B. dagegen nie gedacht: „Unterhalten haben wir uns nicht mit denen.“ Dirk Asendorpf