Massenweise Autodelikte im Osten

■ Allein im Bezirk Lichtenberg registriert die Polizei täglich bis zu 50 Sachbeschädigungen an Autos/ Die Täter sind meist nicht zu ermitteln/ Demolierte Wagen werden ausgeschlachtet/ Neben dem Trabi sind vor allem BMW- und Audi-Karossen gefragt

Berlin. Die Besucher aus Hamburg hatten ihren VW-Bus in der Hiddenseer Straße in Prenzlauer Berg geparkt. Am nächsten Tag war die Heckscheibe zerschlagen, und unter dem Scheibenwischer eines danebenstehenden Ford Transit mit Stuttgarter Kennzeichen klemmte ein volles Feuerzeug. »Es wirkte wie eine Drohung«, sagt die 26jährige Michaela Pfennig aus Esslingen, die zur Zeit eine Bleibe in Lichtenberg hat.

»Sagenhaft hoch« sei die Zahl der Sachbeschädigungen an Autos im Ostteil der Stadt, bestätigten Experten bei der Kriminalpolizei. Daß Autos mit westdeutschen Kennzeichen besonders betroffen seien, haben die Verbrechensbekämpfer bisher aber nicht beobachtet. Nach ihren Erkenntnissen trifft es alle Kennzeichen und Fabrikate, egal ob Wartburg oder Volkswagen, egal ob aus Frankfurt/Oder oder aus Frankfurt am Main. Allein im Stadtbezirk Lichtenberg registriert die Polizei täglich bis zu 50 Fälle, in denen der Lack zerkratzt, die Scheibe zerschlagen oder Reifen zerstochen wurden.

»Meistens« seien die Täter nicht zu ermitteln, bedauert Kommissar Matschull. Er spricht von »Übermutsdelikten«. Nur ab und zu erwischen die Polizisten ein paar Jugendliche. Manchmal kommt es auch vor, daß der Täter ein kleines Bekennerschreiben hinterläßt. »Da parkt einer sein Auto und einem anderen gefällt das nicht, wie der parkt, und dann werden eben die Reifen zerstochen«, schildert Matschull einen Fall.

Eine postsozialistische Atmosphäre des Mißtrauens, die Nachbarn zu Feinden macht, sorgt für die nötige Aggressivität. Daneben wirken aber auch alte DDR-Traditionen fort. Autowracks aller Art, aber auch Unfallwagen werden in Null Komma nichts und »massenhaft« ausgeschlachtet, hat die Polizei beobachtet. Kaum habe der Fahrer seinen verunglückten Wagen verlassen, um sich verarzten zu lassen, da seien auch schon die Jäger und Sammler an Ort und Stelle. Türen würden ausgehängt, ganze Kotflügel im Handumdrehen abgeschraubt, erzählen Polizeibeamte. »Massenhaft« registrieren die erstaunten Westberliner Kriminaler diese illegale Form der Ersatzteilbeschaffung.

Bastler versorgen sich auf diese Weise mit dem Eigenbedarf an Autoteilen, in Garagen hat die Polizei bereits ganze Lager ausgehoben. Neben dem alterhergebrachten Trabant besonders begehrt seien die Teile von BMW- und Audi-Karossen. Nur Mercedes-Wracks seien weniger gefragt. Dieses Fabrikat — so die Polizeierkenntnis — sei nun mal im Osten noch wenig verbreitet. hmt