Weißes Acryl-Plissee und silberne Schühchen

■ Marion Fröhlig alias Marilyn Monroe alias Norma Jean, präsentiert vor US-cars am Brandenburger Tor

Am gestrigen Donnerstag, den 16. Mai fanden gegen 11 Uhr am Brandenburger Tor erneut historische Ereignisse statt, die eindruckvsoll den endgültigen Sieg des Kapitalismus als weltliche Religion im auslaufenden 20. Jahrhundert bewiesen. Und wie immer wurde dazu auf eine der Epochen der freien Marktwirtschaft zurückgegriffen, die noch wirklich schön waren, ungetrübt von Rezession, ökologischer Wirrköpfigkeit und übertriebener Multikultur, glänzend gegen das böse Reich der staatsgelenkten Mißwirtschaft: in diesem Fall die sechziger Jahre.

So fuhren im Auftrag der Agentur für Kommunikation powRay, kurz eines Berliner PR-Büros, einige große, verchromte und babyblau und babyrosa lackierte Automobile aus dieser Zeit vor das Tor — etwa dorthin, wo einst die Mauer am schärfsten zwei Systeme trennte, von denen es eins heute kaum noch gibt. Die Diplom-Kommunikationswirte der Agentur hatten diesen Platz, zwischen Russenmützen- und DDR- Fahnenverkaufstischchen dazu ausersehen, für eine Veranstaltung namens Wheels Nationals '91 Street Hawks Meeting zu werben, bei der sich am Sonntag rund 300 sogenannte amerikanische Straßenkreuzer dekorativ in den Hauptstraßen der Hauptstadt stauen sollen.

Zwischen die Flossen der noch funktionstüchtigen Antikautomobile der Marken Buick und Cadillac traten also ein Drehorgelmann mit einem Steiff-Affen, wie er schon im alten West-Berlin fast zu jedem Pressetermin eingesetzt wurde und die 31jährige, aus Augsburg stammende Marion Fröhlig. Die Auch-Sängerin nutzt nach eigenen Angaben bereits seit 10 Jahren ihre entfernte Ähnlichkeit mit der verstorbenen US-amerikanischen Schaupielerin Norma Jean alias Marilyn Monroe zu kommerziellen Zwecken. So trat sie auch gestern, angetan in weißem Polyacryl- Plissee und silbernen Schühchen mit Korkabsatz vor durch ihr wiedergängerisches Erscheinen überraschend beglückte Touristen, wandernde Schulklassen, pausierende Souvenirhändler und ein Doppeldutzend Berliner Pressefotografen. Mangels U-Bahn-Schacht stieg sie auf ein mit Auslegeware beklebtes Podest, in das eine Windmaschinen (ohne Heizung) eingebaut war und bewegte sich so wie erwartet. Also flog dann alles hoch, bis auf den preiswerten, am Ohrläppchen aufgehängten Modeschmuck. Anschließend dirigierten die hartnäckigsten und eifrigsten der aufgeregt auslösenden Bildreporter Frau Fröhlig noch eine Viertelstunde über Motorhauben, Autodächer und Sitzpolster, duzend, winkend, genervt brüllend, schau mal hierher, guck mal mich an, als hätten sie die Regie bei einem Film aus dem Hause Teresa Orlowski oder Beate Uhse übernommen. Nachdem die leicht blaugefrorene Marion Fröhlig noch einige Zeilen aus My Heart belongs to Daddy und I wanna be loved by You in das 100,6-Mikro gehaucht hatte, war die Veranstaltung beendet.

Nur einer war nicht auf seine Kosten gekommen: das bleiche Elvis- Double, ein geschwärztes Rothaar, das weder dem King noch Liberace, noch Garry Glitter irgendwie glich. Dabei war die Speckrolle doch so realistisch. kotte