Pöhl weicht, die D-Mark bleibt hart

■ Nach tagelangen Spekulationen herrscht jetzt Klarheit: Karl Otto Pöhl verläßt die Bundesbank in Frankfurt. Über ein Jahrzehnt lang war der oberste deutsche Währungshüter die personifizierte...

Pöhl weicht, die D-Mark bleibt hart Nach tagelangen Spekulationen herrscht jetzt Klarheit: Karl Otto Pöhl verläßt die Bundesbank in Frankfurt. Über ein Jahrzehnt lang war der oberste deutsche Währungshüter die personifizierte Stabilitätspolitik.

Karl Otto Pöhl, dienstältester Notenbankpräsident der großen Industriestaaten, hat gestern nach der Sitzung des Zentralbankrats seinen Rücktritt für Ende Oktober bekanntgegeben. An der Jahrestagung von Weltbank und Internationalem Währungsfond im September will der Bundesbankpräsident noch teilnehmen. „Europas mächtigster Zentralbankchef“ ('Financial Times‘) begründete seine vorzeitige Amtsmüdigkeit mit dem Bedürfnis, nach 21jähriger Tätigkeit im Staatsdienst sich „mehr, als es bisher möglich war, meiner Familie und meinen privaten Interessen zu widmen“. Was der 61jährige, dessen Vertrag noch bis 1995 hätte dauern sollen, bis zur Pensionierung beruflich machen will, sagte er nicht.

Es darf also weiter spekuliert werden: Will Pöhl, der den mit 600.000 Mark Jahresgage höchstdotierten öffentlichen Job innehat, in der US- Wirtschaft noch „richtig Geld verdienen“, wie Springers 'Welt‘ vermutet? Oder zum Internationalen Währungsfond (IWF) wechseln? Oder Weltbankchef werden? Daß der stets betont locker auftretende Pöhl tatsächlich völlig auf alle Macht verzichtet, scheint jedenfalls unwahrscheinlich.

Auch über die Gründe seines Rücktritts sagte Pöhl nichts: „Mein Ausscheiden ist kein Zeichen der Resignation.“ Auch zu der Vermutung, daß er keine Lust mehr habe, die Fehler der Bonner Politik währungspolitisch ausbügeln zu müssen, hüllte er sich in diskretes Schweigen. Mit Bundeskanzler Helmut Kohl hat sich Pöhl nie besonders gut verstanden. Vor allem die Äußerung des Bundesbankpräsidenten im März, daß die wirtschaftlichen Folgen der Währungsunion ein „Desaster“ seien, dürfte das Verhältnis weiter abgekühlt haben. In der Umgebung von Helmut Kohl bemühte man sich gestern jedoch, dem Eindruck entgegenzutreten, daß es politische oder sachliche Differenzen zwischen dem Kanzler und Pöhl gebe. „Die beiden verstehen sich gut“, hieß es. Der Bundesbankchef scheide nicht aus politischen Gründen.

Die hat es allerdings in den vergangenen zwei Jahren reichlich gegeben. Mit seinem Plan, die Landeszentralbanken kleinerer Bundesländer zusammenzulegen, um eine Erweiterung des Zentralbankrates im Gefolge der deutschen Vereinigung zu verhindern, ist Pöhl zuletzt auch im Bundesrat auf erbitterten Widerstand gestoßen. Die deutsche Währungsunion, deren Umsetzung er allerdings mit zu verantworten hat, hat Pöhl immer als „ökonomisch falsch“ bezeichnet, aber aus „politischen Gründen“ keinen Widerstand dagegen geleistet. In Frankreich wurde gestern vermutet, daß Pöhl kein Interesse an einer weiteren Währungsunion aus politischen Gründen habe, der europäischen nämlich.

Elf Jahre lang hat das SPD-Mitglied im In- und Ausland die deutsche Währungsbehörde repräsentiert. Zu ihrem Präsidenten berufen wurde Pöhl 1980 von der sozialliberalen Regierung unter Bundeskanzler Helmut Schmidt. Seine Bestätigung für ein weiteres achtjähriges Mandat erfolgte 1987 zwar gegen den Widerstand der CSU und Franz Josef Strauß'; wegen seines engen Arbeitsverhältnisses zum damaligen Finanzminister Gerhard Stoltenberg und wegen seines internationalen Renommees galt sie aber im In- und Ausland als Selbstverständlichkeit.

Erfahrungen im Umgang mit Politikern hatte Pöhl spätestens seit 1970 sammeln können; damals holte Wirtschaftsminister Karl Schiller den 41jährigen Wirtschaftsjournalisten als Abteilungsleiter in sein Ministerium. 1972 berief ihn der damalige Ressortchef Schmidt zum Staatssekretär im Finanzministerium.

Zweifel, die bei seiner Ernennung zum Bundesbankchef laut geworden waren — anders als seine Vorgänger hatte Pöhl zuvor nie als Banker gearbeitet — brachte er schon bald nach seinem Amtsantritt zum Verstummen. Eisern hielt er am antiinflationären Stabilitätskurs fest und widersetzte sich bereits im zweiten Jahr seiner Amtszeit heftig dem Drängen des Kanzlers Schmidt nach einer Zinssenkung zur Ankurbelung der flauen Konjunktur.

Pöhls Rücktritt stieß bei VertreterInnen aller Parteien und der Wirtschaft gestern einhellig auf großes Bedauern. Als Nachfolger sind Pöhls Vize Helmut Schlesinger und der ehemalige Staatssekretär Hans Tietmeyer im Gespräch. Donata Riedel