Freier frei — Frau verknackt

■ Amtsgericht: Drogenahängige Prostituierte zu 30 Tagessätzen verurteilt

„Daß die Frauen von der Polizei kontrolliert werden, lehne ich ab“, sagt Sabine Michaelis, die als Juristin beim Arbeitskreis Drogen im Steintor arbeitet. Gestern stand die ehemals drogenabhängige Angelika M. vor dem Amtsgericht. Sie war im Jahre 1990 mehrmals von Polizeistreifen erwischt worden, als sie am Ziegenmarkt und auf der Humboldtstraße Männern ihre sexuellen Dienste anbot, um ihre Heroinsucht zu finanzieren. Der Richter verurteilte sie wegen illegaler Prostitution — Ostertor und Steintor sind Sperrbezirk — zu einer Geldstrafe von 450 Mark.

Angelika M. war seit 1987 heroinabhängig und mit der Zeit darauf angewiesen, ihren Tagesbedarf im Wert von um die 200 Mark durch Prostitution zu verdienen. Fünfmal wurde sie im letzten Jahren von Polizisten aufgegriffen, darunter mehrmals von denselben zwei Streifenbeamten.

Einer von beiden, als Zeuge im Gerichtsaal beschrieb die Kontrollen zum Beispiel so: „Wir bestreiften die Humboldstraße und sahen Frau M. mit einem Mann in einem Auto sitzen.“ Nach einer Verfolgungsfahrt „traten wir an das Auto heran und stellten fest, daß beide sexuelle Handlungen durchführten.“ Nachdem die auf frischer Tat Ertappten sich wieder angezogen hätten, hätte sich herausgestellt, daß der Mann Frau M. Geld angeboten habe, so der Polizeizeuge.

Inge Baumann vom AK Drogen: „Die Polizei verhält sich repressiv gegenüber den Frauen.“ Und es gebe einige Polizisten, die besonders scharf seien. Fast alle der drogenabhängigen Prostituierten hätten schon Bußgelder oder sogar Haftstrafen bekommen. Zur Zeit habe sich die Lage für die Frauen aber etwas entspannt, berichtet Sabine Michaelis.

Die BeraterInnen vom AK Drogen sehen nicht die Prostitution der Frauen als das Hauptproblem, sondern deren Drogenabhängigkeit. Sabine Michaelis lehnt die Polizeikontrollen ab, weil es sich um eine reine Beschaffungs-Prostitution handele. Die Freier kommen im Gegensatz zu den Frauen ungeschoren davon, weil es für die Inanspruchnahme der sexueller Dienste im Sperrbezirk keinen Strafparagraphen gibt. Häufig verfolgt die Polizei zudem die Opfer und nicht die Täter: Nicht selten werden die Frauen von ihren Freiern mißhandelt oder vergewaltigt.

Sabine Michaelis beschreibt einen verhängnisvollen Kreislauf: Frauen, die wegen illegaler Prostitution vor Gericht stehen, kommen infolge der auferlegten Geldstrafe aus dem Teufelskreis kaum heraus. Oft genug müssen sie sich die Summem, mit der sie die Strafe begleichen, wiederum mit Prostitution verdienen.

Hier hatte Angelika M. aber noch relatives Glück. Der Richter stundete ihr die 450 Mark bis zum Ende der Drogentherapie in der Therapieeinrichtung Hohehorst. Vor Gericht werde sowieso nur an den Symptomen kuriert, hatte er vorher durchblicken lassen.

och