Staut euch des Lebens, solange der Trabi noch glüht

■ Die linksalternative 'Tageszeitung‘ und die Allgemeine Deutsche Nachrichtenagentur, 'adn‘, präsentieren in Zusammenarbeit mit den Berliner Bezirken das ultimative Unterhaltungsprogramm für aufgeklärte und tolerante PfingstochsInnen

Berlin. Wer zu Pfingsten seine Bürgerlichkeit (modern: Zivilität oder Citoyenismus) voll ausleben möchte, hat diesmal ganz besondere Gelegenheiten: beispielsweise Demonstrieren gegen Tempo 100 auf der Avus und zu viele Tempo-30- Zonen, also ganz pauschal gegen die unverantwortliche, autofahrerverachtende rot-grün-schwarz-rote Verkehrspolitik der letzten Monate. Die veranstaltende BI gegen Tempolimit hat es immer schon gewußt: Schuld am Stau sind doch die Busspuren und nicht die braven KFZ- Steuerzahler! Und: daß bei Tempo 30 weniger Kinder angefahren werden, das muß die Verwaltung erst mal beweisen! Warum wohl fließt der Verkehr auf der Avus nicht mehr so richtig? Also: heute Fahrzeugkorso aus allen Stadtteilen, Treffpunkt zur Abschlußkundgebung ist das Rathaus Schöneberg um 16.30 Uhr. Völker hört die Signalhörner! Staut euch des Lebens!

Wer will und den Weihnachtstermin verpaßt hat, kann aber auch zu Pfingsten mal wieder heiraten. Diesmal im Osten ganz ohne Familiengesetzbuch der DDR nach richtig bürgerlichem Eherecht. Seit der Wiedervereinigung allerdings ist dies jedoch an Sonnabenden kaum mehr möglich, die meisten Pfingst- Hochzeiten wurden deshalb bereits am gestrigen Freitag gefeiert. Die Eheschließung ist nun auch im Osten der Stadt zu einem »reinen Rechtsakt« geworden, der innerhalb der offiziellen Amtsstunden an Werktagen zu vollziehen ist. Die vier Paare aber, die ausnahmsweise noch heute im schönen, alten Rathaus von Köpenick die Ringe tauschen dürfen, leiten dieses Privileg aus der Tatsache ab, daß sie noch zu DDR-Zeiten ihr Aufgebot bestellt hatten. Insgesamt ist nach Auskunft der Fachbeamten die Heiratslust jedoch zurückgegangen. Haben sich junge Paare früher wegen der Aussicht auf eine Wohnung oft zu schnell gebunden, spielen heute neue Bedingungen des Scheidungsrechts, des Unterhalts und Vermögensfragen eine Rolle. Auch wollten sich junge Menschen in unsicherer sozialer Lage nicht mit einer Familiengründung neue Verantwortung aufladen. Diese Jugend!

Sollte die Sonne wider Erwarten scheinen, locken die Dampfer der Weißen Flotte zu Frühschoppenfahrten auf ihre Decks. Törns zum Müggelsee und zurück beginnen am Sonntag und Montag 9.30 Uhr im Hafen Treptow. »Rund um die Müggelberge« geht es jeweils ab 11.30 Uhr. Pfingstfahrten nach Woltersdorf starten um 9.45 Uhr an der Jannowitzbrücke. Auf Besucheransturm eingestellt sind die Ausflugslokale der Umgebung, so etwa Neu Helgoland am Kleinen Müggel, das Café Liebig an der Regattastrecke Grünau und natürlich das mehr als 100jährige Zenner.

Zum sonntäglichen Pfingstkonzert im Berliner Tierpark werden diesmal ab 7.30 Uhr (!) unter anderen das blockübergreifende Ost-West- Duo Helga Hahnemann und Gunter Gabriel erwartet. Die Kollegen vom Berliner Zoo veranstalten bereits zum 113. Mal ihr pfingstliches Frühkonzert. Am Sonntag ab 7 Uhr sind das Polizeiorchester Berlin, Krächz-Cat, Angelika Milster und Brummkreisel Bill Ramsey dabei. Pfingstmontag geht es dort um 8 Uhr unter anderen mit Nullsänger G.G. Anderson los.

Das »1. Gesamtberliner Pfingstfest« beginnt bereits heute in der Friedrichstraße. Das FEZ in der Wuhlheide bietet bis Mittwoch, täglich 9 bis 17 Uhr, ein buntes Ferienprogramm. Im Kulturhaus Peter Edel findet heute ab 19.30 ein Dionysos-Fest statt. Viel griechischer Wein plus Mysterienspiel in der Klement-Gottwald-Allee 125. Für Grönemeyer auf der Festwiese bei Ahrensfelde sind noch Karten an der Abendkasse erhältlich. Lenny Kravitz ist im Tempodrom zu hören. Im Strandbad spielen unter anderen Purple Schulz und am Sonntag eröffnet BAP die Waldbühnen-Saison. Gerhard Schöne gastiert einen Tag darauf im Berliner Prater. Zur Wiederaufführung gelangt am Montag der Schmachtklassiker Doktor Schiwago im International.

Bildende Kunst gibt es in der Ausstellung Metropolis mit Exponaten der zeitgenössischen Moderne im Martin-Gropius-Bau. Im Alten Museum: die erste umfassende John-Heartfield-Retrospektive. taz/adn