Klar und unaufwendig

■ Anton Tschechows »Iwanow« vom Akademietheater Wien in der Freien Volksbühne

Daß es zuletzt doch noch möglich wurde, als Abschluß des Theatertreffens klares, unaufwendiges Sprechtheater zu sehen, dessen Intensität sich vor allem aus der Führung des Wortes ergibt: Peter Zadek hat mit seiner Inszenierung von »Iwanow«, dem ersten großen Stück von Anton Teschechow, eine hohe Kunst der unmanirierten Schauspielführung, eines nuancenreichen, luftigen Spiels mit Komik und Spaß an Personencharaterisierungen gezeigt.

Die Bühne, auf der sich Iwanow, der Selbstzweifeler, bewegt, bezieht in ihrer Nüchternheit, von einer Sackleinwand hinten begrenzt, unter dem nur leicht gedämpften Saallicht die Zuschauer mit ins Geschehen ein. In der Salonszene sitzen die Akteure in einem Stuhlarrangement so nahe an der Rampe, daß tatsächlich eine Kontinuität zum Publikum entsteht. Die dramatischen Wechselreden um den Verlust der Liebesfähigkeit, um Zynismus und das Verhältnis von Geld und Gefühl haben Zeitnähe: Der schwanke Boden unter dem vordergründig schwerelosen Gesellschaftsspiel wird auf der tiefelosen Bühne gut sinnfällig gemacht.

Allerdings war die kammerspielartig intime Inszenierung, entwickelt für die Bühne des Wiener Akademietheaters, in der Weitläufigkeit der Freien Volksbühne schwer zu rezipieren: Spätestens ab Parkettmitte war der Text nur unter Anstrengung vernehmbar, die minimalistische Komik entnahm man dem Auflachen der vorderen Reihen. Das Berliner Publikum beantwortet denn auch mit nervösem Hüsteln die schwindsüchtig-sonoren Hustenkrämpfe Angela Winklers — deren Spiel trotz progressiver Schwindsucht im übrigen auffallend unweinerlich war.

Die von Zadek und Elisabeth Plessen erstellte Textfassung legte einen guten, nüchternen Tonfall vor — und verhinderte von vornherein ein zähes und melancholietriefendes Schaubühnenspiel. Die verhaltene Temperierung läßt Gert Voss als Iwanow indes etwas angestrengt wirken: Immer auf derselben Tonhöhe sagte er seine gleichförmigen Selbstbezichtigungen auf. Er wird dafür wohltuend gebrochen durch die leicht hysterische Exzentrik von Angela Winkler als seiner sterbenden Frau und die kindliche Direktheit Anne Benennts als seiner neuen Geliebten — und durch die großartige Kauzigkeit eines Hans Michael Rehberg und Martin Schwab. Dennoch hatte die dreieinhalbstündige Inszenierung Längen: Wäre nicht jeder Satz und jede Emotion leise und ausgiebig entfaltet worden — gewisse Straffungen und Beschleunigungen hätten der Inszenierung zumindest im Berliner Rahmen gut getan. Michaela Ott