Kurden und Saddam kurz vor der Einigung

Abkommen zwischen kurdischer Delegation und Regierung über Demokratisierung des Iraks steht kurz vor der Unterzeichnung/ Kurdistan bleibt Teil des Iraks/ Exilkurden kritisieren Verhandlungen/ Saddam und Kurden einig gegen Schiiten  ■ Aus Bagdad Khalil Abied

Nach zweiwöchigen Verhandlungen zwischen Kurden und der irakischen Regierung erklärte Massud Barzani am Samstag in Bagdad, daß beide Seiten zu einem „broad agreement“ gekommen seien. Kurdenführer Jalal Talabani hatte schon nach den Verhandlungen im letzten Monat von einem „prinzipiellen Abkommen“ gesprochen.

Laut Barzani, der Vorsitzender der größten kurdischen Organisation, der Demokratischen Partei Kurdistans, ist, haben sich beide Seiten auf ein Abkommen von 20 Punkten über die Demokratisierung des Iraks geeinigt. Aber Differenzen über die genauen Grenzen der Autonomieregion Kurdistan und den Status der Stadt Kirkuk haben bislang die Unterzeichnung des Abkommens aufgehalten.

Für den Demokratisierungsprozeß einigten sich die Verhandlungsparteien auf folgende Punkte: Trennung zwischen Baath-Partei und irakischem Staat, freie Parlamentswahlen im ganzen Irak, Pressefreiheit, politischer Pluralismus, Gewaltenteilung zwischen Exekutive, Legislative und Gerichtsbarkeit.

Bezüglich des Autonomiestatus in Kurdistan einigte man sich auf tiefgreifende Änderungen in den Selbstverwaltungsorganen in Irakisch- Kurdistan. Nach Barsani einigte man sich auf sechs Punkte: eine Generalamnestie in Kurdistan und ganz Irak, Maßnahmen, die die Rückkehr der kurdischen Flüchtlinge in ihre Dörfer erleichtern, Aufhebung des Ausnahmezustandes und Annullierung aller Ausnahmegesetze im Irak, die Eröffnung einer kurdischen Universität in Suleimania, gezielte Maßnahmen zur Erhöhung des Bildungsniveaus in Irakisch-Kurdistan und zur Förderung der kurdischen Kultur, die Schaffung eines Entwicklungsfonds für Irakisch-Kurdistan.

Während aber die Kurden freie Wahlen zu den autonomen Verwaltungsorganen in Kurdistan fordern, versucht die irakische Regierung zu einer Art Machtteilung zwischen der Baath-Partei und den kurdischen Organisationen zu kommen. Sie muß befürchten, sonst jeden politischen Einfluß in Kurdistan zu verlieren.

Die Zukunft Kirkuks ist ein weiterer Streitpunkt. Die kurdischen Organisationen fordern, daß die Ölstadt integraler Bestandteil der Autonomen Region Kurdistan wird. Die Regierung in Bagdad führt demgegenüber an, daß die Kurden in Kirkuk mit einem Bevölkerungsanteil von 30 Prozent nur eine Minderheit darstellen. Die Kurden halten dem entgegen, daß sie erst infolge der Arabisierungspolitik und der Zwangsumsiedlungen zur Minderheit geworden sind. Hier scheint sich aber ein Kompromiß anzubahnen. Danach soll den Kurden die Verwaltung über die Stadt übertragen werden, während die Zentralregierung weiterhin die Kontrolle über die Ölressourcen behält. Ein Teil der Öleinnahmen soll jedoch an den kurdischen Entwicklungsfonds abgeführt werden.

Barzani sagte, daß die irakische Führung sich auch mit der Bildung einer Übergangskoalitionsregierung einverstanden erklärt hätte. Aber auch in dieser Frage scheint es noch Differenzen zu geben. Die Kurden wollen in dieser Regierung entsprechend des kurdischen Bevölkerungsanteils an der Gesamtbevölkerung des Landes beteiligt werden. Die Kurden meinen, sie stellen 30 Prozent der irakischen Bevölkerung dar, während andere Quellen von einem Anteil von nicht mehr als 15 bis 20 Prozent ausgehen. Regierungsnahe Kreise in Bagdad sagen, sie wären bereit, den Kurden vier bis fünf Ministerposten zu überlassen, statt wie früher zwei oder drei.

Nach Angaben aus kurdischen Oppositionskreisen werden die schiitisch-fundamentalistischen Organisationen nicht an der Übergangsregierung beteiligt werden. Das zeigt die große Angst sowohl der Kurden wie auch der Regierung, daß diese Kräfte bei freien Wahlen große Stimmenanteile unter den irakischen Schiiten, die immerhin 55 Prozent der Gesamtbevölkerung darstellen, bekommen könnten.

Barzani sagte, daß die kurdischen Peschmergas zukünftig in die lokalen Sicherheitskräfte integriert würden, besonders in die Polizei und die Grenzschutztruppen.

Zur gleichen Zeit traf im Irak die erste Gruppe von 400 internationalen Sicherheitskräften ein, die in Kurdistan und vielleicht in Basra stationiert werden sollen. Laut dem UN- Sonderbeauftragten Bernt Bernader stehen der Irak und die Vereinten Nationen kurz vor einem Abkommen über die Stationierung der Truppen in vier kurdischen Provinzen und in Basra. Bernader sagte, die Wacheinheiten unterstünden direkt den Vereinten Nationen. Sie sind nur mit Handfeuerwaffen ausgerüstet und sollen die Kurden durch bloße Anwesenheit schützen.

Auf die Frage nach internationalen Garantien für das Abkommen mit der irakischen Regierung antwortete Barsani: „Wir sind in der Lage, alle Probleme im Dialog zu lösen, und auf alle Fälle sind die Vereinten Nationen nicht weit vom Schauplatz des Geschehens.“

Barsani bestätigte, daß Kurdistan Teil des Iraks sei und die Kurdische Front die nationale Einheit des Iraks aufrechterhalten wolle. Exilgruppen von irakischen Kurden in London haben die Verhandlungen mit Saddam kritisiert. Ihrer Meinung nach ist eine Demokratisierung des Landes unter Saddam Hussein nicht möglich. Sie haben kein Vertrauen, daß das Regime in Zukunft den Vertrag auch einhalten werde. Darauf angesprochen, sagte Barsani: „Beide Seiten haben wir die bittere Erfahrung gemacht, daß das Problem durch Krieg nicht zu lösen ist.“