Trübes Schlesiertreffen

Schlesiertreffen auf dem St. Annaberg/ Hupka zum Schweigen gebracht/ Polnische Skins blieben zu Hause/ Erwarteter Skandal fand nicht statt  ■ Aus Oppeln Klaus Bachmann

Auf der Tribüne des Pilgerhauses von St. Annaberg schmettert eine bayerische Blaskapelle einen Marsch, im völlig überfüllten Saal beginnen die meist älteren Leute zu schunkeln. Im Pilgerhaus, das ursprünglich für einige hundert Gäste gebaut worden ist, drängen sich jetzt mehrere tausend. Sie sind aus allen Gegenden Schlesiens und aus der Bundesrepublik angereist. Die sonst sehr stille Gegend um den St. Annaberg gleicht einem großen Jahrmarkt. Wäre alles nach Plan gegangen, hätte das Trachten-, Volkstanz- und Volksmusikfest, das für das Wochenende angesagt war, in dem großen Amphitheater stattgefunden. Doch nun jagt ein Wolkenbruch den anderen. Aber nicht nur das Wetter macht den Veranstaltern, dem „Deutschen Freundschaftskreis“ von Leschnitz/Lesnica, zu der der Annaberg gehört, der Stadtverwaltung und dem Kulturamt der Stadt einen Strich durch die Rechnung.

„Ganz am Anfang war das hier alles eine lokale Initiative für ein unpolitisches Volksfest“, sagt Hubert Kurzal, Bürgermeister von Leschnitz. Doch dann verschickte ein Mitglied des Freundschaftskreises Einladungen nach Westdeutschland, und kurz darauf verwandelten die 'Schlesischen Nachrichten‘, das Organ der Oberschlesischen Landsmannschaft, das Ganze in ein „Großes Schlesiertreffen“ im Stil der Landsmannschaftstage in Deutschland. Landsmannschaftsvorsitzender Herbert Hupka sollte dort ebenso reden wie der CSU-Bundestagsabgeordnete Hartmuth Koschyk, Geschäftsführer des Bundes der Vertriebenen. Worauf, wie in Oppeln zu erfahren ist, der Oppelner Wojewode Ryszard Zembaczynski seine Teilnahme zurückzog. Polens Regierung, die Zembaczynski qua Amt repräsentiert, unterhält keine Kontakte mit Vertriebenen.

Als dann auch noch bekannt wurde, daß die Stadt Leschnitz, in deren Gemeinderat die Mitglieder der Deutschen Minderheit die Mehrheit haben, die Übernahme des staatlichen Aufstandsmuseums betreibt, ging ein Aufschrei der Empörung durch zahlreiche polnische Blätter: Die Deutschen hätten vor, die schlesischen Aufstände „einzudeutschen“. Hubert Kurzal weist alle diese Vorwürfe zurück: Die Ausstellung werde nicht angetastet, es sei lediglich ein Café geplant.

Auch an höheren Stellen sorgten die Vertriebenenpläne am St. Annaberg für Aufregung. Kurz vor dem Schlesiertreffen fuhr Polens Premier Bielecki nach Oppeln, um sich mit dem Präsidium des Zentralrats der Deutschen Minderheit zu treffen. Bielecki mußte sich dabei zwar einige der neuesten Einfälle einiger Aktivisten anhören, wie etwa die Forderung nach Aufstellung eigener Armeeinheiten für die Minderheit („im Rahmen der polnischen oder der deutschen Armee“), überzeugte seine Gesprächspartner aber dann doch davon, daß etwaige Vorfälle am St. Annaberg dem Abschluß des deutsch-polnischen Vertrags kaum dienlich wären. Ähnlich, so hieß es in Kreisen der Minderheit, habe auch Bundeskanzler Kohl auf die Führung von BdV eingewirkt. Das Ergebnis: Reden wurden am Wochenende keine gehalten, und Hupka stand auf dem Balkon des Pilgerhauses und ergötzte sich an einem in polnisch aufgeführten Theaterspiel oberschlesischer Kinder.

Die Vorfälle, mit denen besonders die polnische Presse gerechnet hatte, blieben samt und sonders aus. Zwar waren einige Dutzend Corpsstudenten gekommen, denen es dann auch gelang, Hupka ans Mikorophon zu rufen, doch scharfe Töne blieben aus, Hupka hielt nur eine kurze und ganz unpolitische Ansprache. Die polnischen Skins, von manchen Zeitungen geradezu herbeigeschrieben, blieben angesichts der Wolkenbrüche auch zu Hause. Alles in allem, fand eine polnische Journalistin, sei das doch alles „ganz erfreulich abgegangen“. Klaus Bachmann