Die Pentagonale — langsame Karriere eines Projekts

■ Die regionale Kooperation „Alpe Adria“ erfuhr nach den demokratischen Revolutionen von 1989 eine ungeahnte Aufwertung/ Kann die „Pentagonale“ zur Lösung der jugoslawischen Staatskrise beitragen?

Zu Beginn der zweiten Eiszeit in den Ost-West- Beziehungen, 1977/78, trat eine buntscheckige Versammlung von Grenzregionen des Alpen- Adria-Raumes zusammen, um unter eben diesem Namen Lösungen für grenzüberschreitende Probleme zu finden. Die Staaten, denen die Regionen angehörten, hatten unterschiedliche Gesellschaftssysteme und waren zum Teil Mitglieder feindlicher Militärblöcke. Sie hatten aber eine kleine, subversive Gemeinsamkeit: sämtlich waren sie einst Bestandteil des Habsburger-Reiches gewesen.

Mit von der Partei waren auch Slowenien und Kroatien, beide ökonomisch entwickelt und bestrebt, die Beziehungen zum westlichen Europa zu vertiefen. Obwohl von der jugoslawischen Verfassung abgedeckt und durchaus im Rahmen der blockfreien Außenpolitik, erregten die Aktivitäten der beiden westlichen Republiken den Argwohn Serbiens, der auch durch den Beitritt Bosnien-Herzegowinas und Montenegros zu „Alpe-Adria“ nicht besänftigt werden konnte.

Mit den demokratischen Revolutionen des Jahres '89 veränderte sich Charakter und Zielsetzung der regionalen Kooperation. Sie wurde auf staatliche Ebene gehoben, die Tschechoslowakei trat bei, schließlich trafen sich die Regierungen Italiens, Österreichs, Ungarns, der CSFR und Jugoslawiens August 1990 in Venedig, um die „Pentagonale“ aus der Taufe zu heben. Der Fünferclub will kein regionaler Block sein — etwa als Gegengewicht zum vereinten Deutschland. Die „Pentagonale“ wird als Brücke verstanden, über die es „zurück nach Europa“ bzw. vorwärts zur EG-Mitgliedschaft geht. Den ehrgeizigen gemeinsamen Vorhaben steht allerdings der Unwille der beiden „Reichen“, Österreich und Italien, entgegen, zu zahlen.

Die jugoslawische Staatskrise gibt der „Pentagonale“ eine neue Perspektive. Es ist gerade der ursprünglich sub-staatliche Charakter der Zweckgemeinschaft, der sie für Slowenien, Kroatien und Bosnien-Herzegowina in dem Augenblick interessant macht, wo der jugoslawische Staatsverband auseinanderfällt. Einer solchen Funktion als Auffangbecken widerspricht allerdings die EG-Politik, die Jugoslawien fast um jeden Preis als Staat aufrechterhalten möchte. Dies auch der Tenor der bologneser Beratung der „Pentagonale“. Aber wird es mit gutem Zureden und der Warnung vor einer EG-Kreditsperre getan sein? Österreichs Außenminister Mock hat in den letzten Wochen den Plan lanciert, die nördlichen und westlichen Anrainerstaaten Jugoslawiens, d.h. durchwegs Mitglieder der Pentagonale, sollten den Streitparteien anbieten, Truppenkontingente in den Krisengebieten zwischen den Fronten zu stationieren. Unabhängig von den Realisierungschancen einer solchen Friedensmission: sie verweist auf die wachsende Bedeutung regionaler Zusammenschlüsse zwischen den Nationalstaaten und der „universalistischen“ UNO. Christian Semler