Unsicheren Kantonisten macht Europa die Türen zu

■ Die fünf Mitgliedsstaaten der „Pentagonale“ konferierten im Rahmen ihrer mitteleuropäischen Initiative in Bologna über den Zerfall Jugoslawiens

Jugoslawiens Außenminister Budimir Loncar gab sich optimistisch: Am Rande der Konferenz der „Pentagonale“ in der mittelitalienischen Stadt Bologna meinte er am Samstag, schon in wenigen Tagen könnten die Verfassungsprobleme seines Landes gelöst sein. Mit einer gemeinsamen Erklärung zur „Unterstützung der Einheit Jugoslawiens“ ging dann am Abend das informelle Treffen der fünf Außenminister von Italien, Österreich, Ungarn, der CSFR und Jugoslawien zu Ende. Die Einheit Jugoslawiens müsse auf einer demokratischen Entwicklung und der vollen Anwendung der Menschnenrechte gegründet sein, heißt es im Abschlußkommuniqué der vom italienischen Außenminister Gianni De Michelis geleiteten Konferenz.

Das Thema beherrschte die Konferenz, aber zu sinnvollen Vorschlägen zur Lösung der Krise kam es nicht. Als einziges Mitgliedsland der Allianz mahnte Österreich des öfteren an, „die Frage der Autonomie der jugoslawischen Bevölkerungsteile ernst zu nehmen“. Doch der in diesem Fall ganz auf EG-Linie marschierende italienische Außenminister De Michelis setzte dem sein „Aber der Einheitsstaat darf dort nicht zerfallen“ entgegen. Finanzielle Hilfen könne man sowieso keine geben, da keiner vom Pentagonale- Bund Geld lockermachen will. De Michelis verwies blauäugig auf Hilfen der „Europäischen Bank für Aufbau und Entwicklung“ — als ob nicht gerade von dort die Bedingung der Einheitsstaatserhaltung käme. Die Ungarn, ansonsten sehr selbstbewußt und vor allem schroff gegen alle weiteren Zutrittswünsche (nicht nur der — bereits angenommenen — Polen, sondern auch der Bulgaren und der Rumänen, von den Albanern ganz zu schweigen), verkrochen sich bei der Jugoslawien-Frage verschämt in ihre Sessel, nachdem die Tschechoslowakei die Gretchenfrage nach den Waffenlieferungen an die Kroaten gestellt hatte.

„Was mit Jugoslawien wirklich wird, interessiert die nur insofern, als sie nachsehen, ob daraus eine Stärkung oder eine Schwächung ihrer eigenen Position entsteht“, entsetzte sich ein Delegationsmitglied aus Belgrad, nachdem er ein Interview mit dem Mailänder Politologie- Professor Gianfranco Miglio gelesen hatte: Danach „steuern die Italiener regelrecht auf die von Brüssel angedrohte wirtschaftliche Herabstufung innerhalb der EG in die zweite Liga zu, mit dem Ziel, sich als Boß der schwächeren Länder in der Gemeinschaft zu etablieren, um den Großen dann wie jenen auf Aktionärsversammlungen gefürchteten Vertretern der Kleinanleger einzuheizen; und nicht nur das: Gleichzeitig versuchen sich unsere Regenten auch als mitfühlender oberster Ansprechpartner der Staaten des ehemaligen Ostblocks und Nordafrikas zu empfehlen.“

Die Jugoslawen jedenfalls fuhren aus Bologna noch deprimierter ab, als sie gekommen waren. Daß der nächste Gipfel — nach der Aufnahme Polens nicht mehr „Pentagonale“, sondern „Hexagonale“ — am 26. Oktober in Dubrovnik stattfinden soll, ist ihnen wie der zugesprochene Vorsitz ab Juli diesen Jahres ein geringer Trost. „Wenn man als armer Schlucker“ trotz der Fürsprache durch die Italiener bei der EG „mit internen Scheidungsproblemen“ anklopft, so ein Berater des jugoslawischen Außenministers, „macht einem keiner die Tür auf“.

Nach dem abgehakten Beitritt Polens haben trotz aller Unzulänglichkeiten Länder wie Bulgarien und Rumänien Interesse an einer Beteiligung an der Konferenz bekundet. An dem nächsten Treffen in Dubrovnik werden außerdem Beobachter aus Albanien und Schweden teilnehmen. Die UdSSR will sich an einigen Arbeitsgruppen der Organisation beteiligen. Vor zwei Jahren deutete das Fünfstaatenforum auf eine „neue Rolle Italiens innerhalb der Gemeinschaft“ hin, „als Bannerträger des Abendlandes hin zu einem neuerwachten Morgenland“. Mittlerweile jedoch zeigt sich der Verband eher als „Verein von Fußkranken“, wie selbst ein enger Mitarbeiter De Michelis entsetzt anmerkte. Werner Raith