Arme Schuldner sind arm dran

■ Schuldnerberatung in Bremen: Ein unkoordiniertes ABM-Karussell

Jemand der Schulden hat, wird gar nicht erst eingestellt. Diese Erfahrungen machen die Beratungsstellen für Arbeitslose und Sozialhilfeempfänger nicht nur mit den großen Firmen in Bremen. Denn die würden sich mit einem verschuldeten Arbeitnehmer nur „Zusatzarbeiten“ für ihr Lohnbüro aufhalsen. Florian Frerks, Schuldnerberater bei der „Solidarischen Hilfe“, greift sich eine Akte: „Dieser Fall läuft schon seit 1980.“ Der „Fall“ hatte bei der Sparkasse ganze 3.000 Mark Schulden. Für „Normalverdiener“ ein Klaks, eine Angelegenheit, die noch nicht einmal die gesellschaftlich längst akzeptierten Grenzen des Dispokredits erreicht. Doch der „Fall“, von dem Schuldnerberater Frerks berichtet, spitzt sich mittlerweile dramatisch zu: Der Betroffene wurde arbeitslos. Trotzdem versuchte er seit Jahren, seinen Schuldenberg abzutragen: 100 Mark, 110 Mark, 170 Mark zahlte der Schuldner Monat für Monat an die Sparkasse, ohne dabei jedoch jemals zur Tilgung seines eigentlichen Kredits vorgestoßen zu sein: Auf 5.400 Mark ist seine ursprünglich 3.000 Mark hohe Schuldenlast mittlerweile angewachsen.

„Kein Einzelfall“, sagen dazu die Schuldnerberater der „Solidarischen Hilfe“, „Wir haben es hier eben nicht mit normalen Schulden zu tun.“ In den Rechtsberatungen der Kammern oder beim Verbraucherschutz erfahren die Betroffenen lediglich, ob sie einen „sittenwidrigen“ Kredit-Vertrag eingegangen sind. Sobald es um Pfändungen und Entschuldungsverhandlungen geht, laufen die Klienten dann die „ausgetrampelten Pfade“ zur „Solidarischen Hilfe“ oder anderen Sozialvereinen, die wie die Straffälligenhilfe, wie Ellrond oder Hoppenbank für ihre spezielle „Kundschaft“ Schuldnerberatung anbieten.

Die Beratung zieht sich in den weitaus meisten Fällen über mehrere Jahre hin. Trotzdem haben die Betroffenen oft jedes Jahr einen anderen Ansprechpartner: Schuldnerberatung ist in Bremen nur über ABM und Honorarverträge geregelt. Sämtliche Versuche, diesen Bereich zu verstetigen und das ABM-Karussell zu entschärfen, sind gescheitert: Noch immer gibt es in Bremen weder eine zentrale Schuldnerberatung noch eine Koordinierungsstelle der bestehenden Angebote, wie sie von Bürgerschaft, Deputation und Behörde gefordert werden.

Ein, wie Frerks betont: „gutes“, Konzept liegt vor, das die Sozialbehörde zusammen mit den derzeit in der Schuldnerberatung tätigen Institutionen erarbeitet hat. Die sollten und wollten sich als Träger einer Bremer Koordinierungsstelle zu einem Verein zusammenschließen — ein erster Schritt für die Verstetigung der vorhandenen Angebote.

Doch mittlerweile kochen AWO und Verbraucherzentrale ihr eigenes Süppchen, um sich über die Schuldnerberatung, die beide nur „nebenbei“ betreiben (von 18 Schuldnerberatern in Bremen sind 11 bei der Solidarischen Hilfe, 4 bei der Straffälligenhilfe, der Rest bei AWO u.a.), die in Aussicht stehenden Stellen zu sichern. Die Arbeiterwohlfahrt schert sogar mit einem eigenen Satzungsentwurf für den zu gründenden Verein aus der Reihe: Während nach bisherigen Diskussionen die Sachkompetenz der kleinen, aber beratungserfahrenen Institutionen entsprechend in die Vereinskonstruktion eingebracht werden sollte, will die AWO jetzt festlegen: „Der Verein kann eines seiner Mitglieder mit der Wahrnehmung seiner Geschäftsführung und der Durchführung der zentralen Koordination beauftragen.“ Florian Frerks: „Ist doch klar, wo das hinführt.“ ra