Geheimnisträger mißtrauten Berlin

■ Leiter des Hamburger Verfassungsschutzes, Christian Lochte, hält angebliche Intrige des Verfassungsschutzes gegen rot-grünen Senat für absurd

Berlin. Haben Beamte des Berliner Landesamts für Verfassungsschutz (LfV) beim Kölner Bundesamt im Frühjahr 1989 gegen den rot-grünen Senat intrigiert? Der Chef des Hamburger Landesamtes für Verfassungsschutz, Christian Lochte, hält es lediglich für »möglich«, daß sich die Verfassungsschützer »Sorgen gemacht haben, ob man Erkentnisse wie bisher nach Berlin liefern« könne. Wie berichtet, wurden die seinerzeit zwischen den Kölner und Berliner Verfassungsschützern geführten Telefonate von der Staatssicherheit abgehört. Aus den Protokollen, die jetzt vom Berliner Staatsschutz ausgewertet werden, soll hervorgehen, daß einflußreiche Beamte des LfV versuchten, das Bundesamt gegen den rot-grünen Senat aufzuwiegeln. Ziel der Aktion soll es gewesen sein, Berlin von entscheidenden Informationssträngen des Bundesamtes abzuschneiden. (siehe taz von gestern).

Auf Nachfrage der taz bestätigte Lochte gestern, daß seinerzeit auf den Amtsleitertagungen der Verfassungsschutzbehörden erörtert wurde, ob die allgemeine Informationspraxis zwischen den Verfassungsschutzbehörden so weiterlaufen könne wie bisher. Hintergrund war die vom rot-grünen Senat beschlossene, sehr weitgehende Auskunftsregelung an Betroffene. Vereinbart wurde laut Lochte, daß die Berliner mit ihren »eigenen Daten machen können, was sie wollen«; die anderen Daten aus dem Bundesgebiet, »die ihnen nicht gehören«, dürften sie jedoch nicht herausgeben. Darüber hinaus, so Lochte, wurde beschlossen, daß die Zusammenarbeit zwischen den Ämtern im Bundesgebiet und Berlin »so bleibt, wie sie ist«. Die Halbstadt sollte nicht von den Informationssträngen abgeschnitten werde, wie man es »vielleicht im Süden gern gesehen hätte«.

Daß hohe Beamte des Berliner Verfassungsschutzes bei ihren Telefonaten mit dem Bundesamt gegen den rot-grünen Senat intrigiert haben — wie aus den Stasi-Abhörprotokollen hervorgehen soll — bezeichnete Lochte als »absurd«. Der Chef des Hamburger Verfassungsschutzes hielt es lediglich für denkbar, daß »hohe Beamte vereinzelt ihre Gefühle austauschten«, ohne daran jedoch »ein Handeln zu knüpfen«. Dem verfassungschutz sei »selbstredend« bekannt gewesen, so Lochte, daß die über Richtfunk geführten Telefonate zwischen den Verfassungsämtern im Bundesgebiet und Berlin von der Stasi abgehört wurden.

Ein Sprecher des Kölner Bundesamtes für Verfassungsschutz erklärte, daß der Informationsaustausch zwischen Köln und Berlin immer »voll nach den Buchstaben des Gesetzes erfolgte«. Der SPD-Fraktionsvorsitzende Ditmar Staffelt kündigte an, daß die SPD es nicht hinnehmen werde, daß aus dem Verfassungsschutz »in welcher Form auch immer gegen eine gewählte Regierung intrigiert wird«. Sollten sich die Vorwürfe bestätigen, wäre dies laut Staffelt ein »ungeheuerlicher Loyalitätsbruch«, der nicht ohne Konsequenzen bleiben dürfe.

Für das Bündnis 90/ Grüne wiederholte der Abgeordnete Wolfgang Wieland die Forderung nach sofortiger Konstituierung des Verfassungsschutz-Ausschusses. Wieland zufolge muß dieser als erstes klären, »ob es zutrifft, daß der Verfassungsschutzbeamte Reimar Osswald Initiator der geplanten Intrige war«. Wie berichtet, will Innensenator Heckelmann Osswald — der die Al als verfassungswidrig einstufte — zum Vizechef des Verfassungsschutzes küren. plu