PRESS-SCHLAG: Mozart zittert
■ Österreich sieht voller Angst dem EM-Qualifikations-Rückspiel gegen Farö entgegen
Salzburg: Stadt der allumfassenden Mozart-Vermarktung (Mozart-Käse, Mozart-Wurst, Mozart- Taler etc.) ist am 22. Mai auch Stadt der erhofften Wiedergeburt der einstigen Größe Österreichs. „Waagrecht in der Luft werden wir dafür fliegen“, schwört Alfons Riedl, verantwortlicher Anführer einer Schar junger Patrioten, die als Konkursmasse des österreichischen Fußballs gilt. Die voreinst „Nationalmannschaft“ genannte Gruppe muß dazu das schier unmögliche schaffen: Den Kicker- Kollegen von den Faröer Inseln eine knappe Niederlage, vielleicht sogar ein Unentschieden abzuringen. Fliegen muß dafür nicht unbedingt das richtige Rezept sein, welches Trainer Riedl vorschwebt.
Die Faröer haben den Austro- Kickern im letzten Jahr ein Trauma verschafft, das dramatische Spuren im Bewußtsein der ganzen Nation hinterließ. 1:0 gewannen die Fischer, Schäfer und Lehrer vom Atlantik das Hinspiel der EM-Qualifikation gegen Österreich — zu diesem Zeitpunkt besaßen die Exoten auf ihrer Insel nicht einmal ein europagenormtes Stadion. Daher fand die Partie im schwedischen Landskrona statt, was den Österreichern zum National-Trauma namens Landskrona-Syndrom verhielf.
Doch der Demütigung nicht genüg: Zu allem Übel belegte auch noch die Wiener Schlagerleiche Thomas Forstner beim „Grand Prix d'Eurovision de Chanson“ mit Null Punkten den unumstritten letzten Platz. 1,8 Millionen Austro-Masochisten erlebten diesen grauenhaften Vorgang live im TV. Fast zeitgleich blamierten sich die Fußballer dank sechs in Schweden eingefangener „Brummerl“ (österr.: Verlustpunkte). Eine Nation versank in Scham.
Schon wurden Atlanten gewälzt, ob Österreich nicht gar eines der kleinsten Länder der Welt sei, weil dann wäre es normal, zu verlieren. Politische Kommentatoren monierten, daß die Art und Weise der Niederlagenbewältigung typisch österreichisch sei: Alle Beteiligten hatten eine Ausrede parat.
Doch plötzlich tat sich etwas: Ein Vereinspräsident schlug vor, allen Bundeligaspielern Grundgehalt und Prämien pauschal um 20 Prozent zu kürzen. Allerortens feierte man die gute Idee, leider vergaß man, sie zu realisieren. Es gab zündende TV-Diskussionen, deren Anregungen vom ÖFB jedoch keinesfalls akzeptiert werden konnten weil Ausländer wie Paul Breitner oder Otto Baric sich unaufgefordert in die inneren Fußballangelegenheiten Österreichs gemischt hatten.
Die letztendliche und rein österreichische Lösung vor dem Faröer-Spiel bebilderte der 'Kurier‘ so: Sechs Spieler erhielten vom Boulevardblatt zwei rot gekreuzte Striche ins Gesicht. Heißt: Sie dürfen fortan nicht mehr das Nationalleiberl tragen. Kommentar des Ex- Kapitäns und Jetzt-Sevillianers Polster: „Der Riedl muß die Nerven weggeschmissen haben.“ Doch auch die anderen Zeitungen unterstützten die Maßnahme des Fußball-Bundes. So plaziert der 'Standard‘ seit 16 Tagen einen Kasten, indem mittels eines beschwörenden Countdowns „Noch 16 Tage“, „Noch 15 Tage“, „Noch 14 Tage“ usw., die Nation in die nötige Wallung gebracht werden soll.
Doch während in Österreich alle nur zur Verfügung stehenden Werbetrommeln eifrigst gerührt werden, entspannten sich die Atlantikfischer im Trainingslager, daß sie sich durch Benefitzkonzerte und von einem Ölmunti haben sponsern lassen. Und schon vermuten die angsterfüllten Österreicher hinter der Faröer Gelassenheit ein hinterlistiges Komplott. Die 0:7-Niederlage der Faröer in der Vorwoche gegen Jugoslawien war eine gemeine List: „Die haben sich für uns geschont.“ Falk Madeja
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