Roboter-Milch

■ Die Automation macht auch vor dem Euter nicht halt

Wissen Sie, was ein „rechnergesteuerter Milchentzug“ ist? Wissenschaftler der Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft in Braunschweig haben einen Melkroboter entwickelt und jetzt bei seiner Erprobung „unter der Kuh“ gute Erfolge erzielt.

Die Technik funktioniert so: Die Kuh Berta verspürt Hunger, verläßt ihre Herde und begibt sich in die stählerne Freß-Box. Dort erwartet sie nicht nur ihre von einem Rechner ermittelte Futterration, sondern auch der Milchroboter. Ist Berta in der Box, wird sie über ihre Erkennungsmarke identifiziert und der Rechner stellt fest, ob sie gemolken werden muß. Sind seit dem letzten Boxen-Stop mindestens vier Stunden verstrichen, ist der Ernstfall da. Während hinter der Kuh ein Sperriegel ins Schloß fällt, schwenkt schon der Roboter-Arm aus und kommt unter dem Tier zum stehen. Bei diesem Manöver geben ausgesendete Laserstrahlen und das Auge einer Videokamera die Position des Euters an. Mit Hilfe dieser Sensorik dirigiert der Rechner das Melkzeug bis sich die Milchgeber langsam über die Zitzen stülpen und andocken. Dann wird abgepumpt und gleichzeitig die Milchmenge gemessen. Auch die Milchtemperatur und die elektrische Leitfähigkeit wird erfaßt, um krankhafte Veränderungen der Kuh frühzeitig zu erkennen.

Das größte Problem bei den dreiwöchigen Melkversuchen, die Ende April abgeschlossen wurden, war natürlich die Kuh. Sie stört das sensible Gefüge, weil sie ein „lebendiges System“ ist, wie die Forscher sagen. Als ein solches unvorhersehbares Element bewegt sie sich ungebührlich hin und her und macht der Sensorik das Leben schwer. Bei den Praxis-Tests galt es deshalb, die Ruhestellung des Tieres abzuwarten. Dazu muß der Rechner die „Tiergeschwindigkeit in Echtzeit“ überwachen, so Dieter Schillingmann von der Bundesforschungsanstalt. Dies habe auch „ganz gut funktioniert“, so daß am Ende eine Erfolgsquote von 94 Prozent beim Andocken des Melkzeugs notiert wurde.

Die Forscher wollen vor allem dem kleineren Bauern helfen, der meist völlig überlastet sei. Aber auch die Kuh soll von der Rückkehr zur artgerechten Herdenhaltung (die Tiere laufen frei im Stall) und von der Rückgewinnung ihrer Autonomie profitieren. Jedes Tier könne ganz individuell bestimmen, wann es fressen und wann es gemolken werden will. Das übliche zweimalige Melken entspreche keinesfalls den Gesetzen der Ernährung und Milchbildung. Kühe, davon ist Schillingmann fest überzeugt, wollen öfter ihr Euter leeren.

Bei den Tieren ist die Akzeptanz für den Milchroboter zufriedenstellend. Die Versuchskühe seien jedenfalls freiwillig in die Box gekommen. Nicht zuletzt der Hunger treibt sie dem Roboter in die eisernen Arme.

Und was bleibt dem Bauern, wenn er nicht mehr in den Stall muß? Der Fernseher. Dort gibt es schöne Heimatfilme mit glücklichen Kühen auf saftigen Weiden, die von blondgezopften Mädchen gemolken werden. Noch richtig von Hand! Manfred Kriener