Äthiopiens Diktator flieht vor den Rebellen

■ Mengistus Vize wird Präsident/ Rebellen 65 Kilometer vor der Hauptstadt Addis Abeba

Berlin (taz) — Völlig überraschend ist gestern der äthiopische Diktator Mengistu unter dem Druck der vorstoßenden Rebellen nach Kenia geflohen. Er war 1974 maßgeblich am Sturz Kaiser Haile Selassies beteiligt. Bevor er 1977 formell die Macht übernahm, hatte er bereits zwei Staatspräsidenten füsilieren lassen. Erst im vergangenen Jahr kehrte er dem Marxismus-Leninismus den Rücken.

Gestern übernahm Mengistus Vize, General Tesfaye Gebre-Kidan, die Präsidentschaft. Auch er ist kein unbeschriebenes Blatt: 1989 war er Präsident des Kriegsgerichtshofes, der zwölf Generäle wegen angeblicher Putschabsichten hinrichten ließ. Immerhin dürfte die Flucht des lange von Moskau gehätschelten Diktators die für Montag in London angesagten Friedensverhandlungen erleichtern. Dort wollen sich die Vertreter der eritreischen und tigrischen Befreiungsfront und des Regimes von Addis Abeba an einen Tisch setzen, um über einen Waffenstillstand im längsten Krieg des afrikanischen Kontinents zu beraten. Aber selbst wenn die Waffen nach 30 Jahren schweigen sollten, sieht Äthipien einer düsteren Zukunft entgegen: Über eine Million Menschen sind — sechs Jahre nach einer pompösen weltweiten Hilfskampagne — akut vom Hungertod bedroht. SEITEN 8 UND 10