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Gelähmtes Ausländerwahlrecht

■ Staatsgerichtshof entscheidet am 6. Juli über das neue Bremer Ortsgesetz

Am 29. September können erstmals rund 16.000 AusländerInnen ihre Stimme abgeben, wenn gleichzeitig mit der Bürgerschaftswahl auch über die Besetzung der 22 Ortsbeiräte entschieden wird. Damit sind etwa 29 Prozent aller Bremer fremder Nationalität wahlberechtigt. Zusammen stellen sie dann knapp vier Prozent aller Wahlberechtigten bei der Beirätewahl während der Bremer Ausländeranteil über zehn Prozent liegt.

Das neue Gesetz soll sich nicht nur in der aktiven Wahlbeteiligung für Ausländer niederschlagen, sondern auch bei der Kandidatenaufstellung. Von über 60 SPD-Ortsvereinen haben bereits 12 ihre Listen gewählt. Aufgestellt wurden dabei zehn ausländische KandidatInnen, und auch die Grünen haben mehrere „heiße“ Anwärter für einen Beiratsplatz, die keinen deutschen Paß besitzen. Die allerdings müssen von den jeweiligen Kreismitgliederversammlungen noch bestätigt werden.

Bei der FDP ist man nach Auskunft eines Sprechers „nach wie vor für das Ausländerwahlrecht“, hat aber bislang noch keinen Ausländer für die kommende Wahl aufgestellt. Allerdings haben bislang auch nur die Horner und Schwachhauser Liberalen ihre Listen vorgelegt.

Bei der CDU liegt der Fall ganz anders. Sie hat gegen das Ausländerwahlrecht im neuen Ortsgesetz Klage beim Staatsgerichtshof eingereicht und will deshalb ihre Listen so abliefern, als gäbe es das Ausländerwahlrecht gar nicht. Helmut Pflugradt, CDU-Experte für Beiratsangelegenheiten: „Wir gehen davon aus, daß die Beiräte Staatsgewalt ausüben, und die geht vom deutschen Volk aus.“

Der Staatsgerichtshof, der am 6. Juli sein Urteil verkünden will, muß die Frage beantworten, wie gravierend der Einfluß der Beiräte auf die Bremer Politik ist. Wären sie lediglich beratende Gremien ohne direkte Entscheidungsbefugnis, gäbe es kein Problem mit dem Ausländerwahlrecht. Wären sie jedoch echte kleine Kommunalparlamente, dann würde das Bremer Ausländerwahlrecht wohl das gleiche Schicksal nehmen wie das schleswig-holsteinische. Das war vom Verfassungsgericht wieder aufgehoben worden. Kleine Pikanterie: Die SPD wollte durch das neue Ortsgesetz die Beiräte einerseits stärken, darf das nun aber nicht mehr so laut sagen, da das Gesetz ansonsten wegen des in ihm enthaltenen Ausländerwahlrechtes wieder kippen würde.

Landeswahlleiter Volker Hannemann macht sich derweil seine eigenen Gedanken. Was passiert eigentlich, wenn der Staatsgerichtshof die CDU-Klage bestätigt? Zwischen der Verkündung des Urteils und der Vorlage der Kandidatenlisten liegen nämlich nur genau vier Wochen. „In dieser Zeit, in der auch noch Ferien sind, schafft es keine Partei, neue Listen aufzustellen“, ahnt der Wahlleiter.

Spätestens am 6. August müssen alle KandidatInnen beim Landeswahlamt vorliegen. „Bei einem Urteil im Sinne der Klage wären dann alle Listen ungültig, bei denen ein Ausländer mitgewirkt hat“. meint Hannemann. Für diesen Fall erwägt er, die Wahl trotzdem mit den vorliegenden Listen durchzuführen. „Das Bundesverfassungsgericht hat im letzten Jahr bei den Bundestagswahlen ebenfalls viele formale Mängel geduldet, um den Parteien der neuen Bundesländer überhaupt die Beteiligung an der Wahl zu ermöhlichen.“ Mit dieser Begründung ließe sich auch die Bremer Beirätewahl durchführen, wenn der Staatsgerichtshof der CDU-Klage stattgibt. „Wir könnten uns darauf berufen, daß die Ausländerinnen und Ausländer keine entscheidungsrelevanten Anteil haben“, sagt der Landeswahlleiter.

Ali Elis, Vorsitzender der Landeskommission Ausländerpolitik der SPD, hofft, daß der Staatsgerichtshof das neue Ortsgesetz zuläßt. „Wir halten das Gesetz nicht für ausreichend, aber wir glauben, daß damit ein kleiner Schritt für die Intergration der Ausländer in den Stadtteilen vollzogen wäre.“ Markus Daschner

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