Citybahn-Premiere ohne Rollstuhlfahrer

■ Behinderte kritisieren mangelhafte Zustiegsmöglichkeiten / Behörde: Besser geht es nicht

Morgen geht es los: Ab 10.45 Uhr rollt die neue Citybahn zwischen Bremen und Vegesack. Citybahn, das bedeutet: Neue Züge, moderne Innengestaltung der Waggons und mehr Fahrkomfort. Grund genug, für die Bundesbahn, die Verkehrsgemeinschaft Bremen/Niedersachsen und Verkehrssenator Konrad Kunick zum großen Fest auf den Vegesacker Bahnhofsvorplatz zu laden. Eine Gruppe aber will morgen nicht mitfeiern: Die im Bremer Fahrdienst-Forum organisierten RollstuhlfahrerInnen sind mit den Verbesserungen, die die Citybahn für sie bringt, unzufrieden.

„Ich kann nur aus Sicht eines Gepäckstückes sprechen“, beschreibt Rollstuhlfahrer Jörg Vosteen seine bisherigen Erfahrungen auf der Stecke Vegesack-Bremen. Denn bislang mußten Behinderte mit dem Transport im Gepäckwagen vorlieb nehmen. Das wird sich zwar in Zukunft ändern, doch die Hoffnung der RollstuhlfahrerInnen, selbständig über am Zug angebrachte Hubanlagen in die Züge einrollen zu können, wird sich nicht erfüllen. Die Bundesbahn sieht sich bislang nicht in der Lage, Waggons mit solchen Einstiegshilfen zu produzieren.

Deshalb haben die Behinderten sich mit Petitionen an den Bundestag und die Bürgerschaft gewandt, um doch noch ein „Modellprojekt für eine behindertengerechte Ausstattung“ zu erreichen. Entsprechende Bemühungen gibt es bereits seit 1971. Damals gab es erste Briefe einer Behinderten an die Bundesbahn. Konkreter wurde es dann 1987, als im Bremer Parlament über die

Heute fahren die silbernen Eilzugwagen zum letzten Mal nach VegesackFoto: Sabine Heddinga

Einrichtung der Citybahn diskutiert wurde. Zunächst wurde vom Parlament eindeutig gefordert, für eine behindertengerechte Ausstattung der neuen Linie zu sorgen. Doch 1989 wurde der Beschluß aufgeweicht und nur noch eine Erwartung an die Bundesbahn formuliert.

Herausgekommen ist eine Lösung, von der auch der beim Verkehrssenator zuständige Hartmut Linker zugibt, „daß der Erfolg aus der Sicht der Behinderten begrenzt ist.“ Lediglich in Vegesack und am Hauptbahnhof werden Hubanlagen aufgestellt. Ein Zustieg auf der Strecke, beispielsweise in Walle oder Burg ist nicht möglich. Weiterer Haken an der Sache: Die Hubanlagen müssen von Bundesbahn-Personal bedient werden, doch gerade in Vegesack ist dies nur eingeschränkt möglich. Über Mittag, zwischen 13 und 15 Uhr, und nach 18 Uhr, so fürchten die Behinderten, wird

hier bitte das Foto

mit dem Zug

kein Bahnbediensteter da sein, um die Anlage zu bedienen.

Ein finanzielles Problem, so meint Rollstuhlfahrer und Ex- Grünen-Abgeordneter Horst Frehe, wäre die Ausrüstung der Bundesbahnwaggons mit einer Hubanlage nicht gewesen. Frehe: „Auf der Strecke pendeln nur drei Züge“. Dem Senat wirft er vor, offensichtlich keine Bereitschaft gehabt zu haben, die Enwicklung der Prototypen zu bezahlen.

Citybahn-Planer Hartmut Linker dagegen verteidigt die kleine Lösung, die jetzt gewählt wird. Da es bislang keine „technisch ausgereifte bahngebundene Einstiegshilfe“ gebe, müsse man „schrittweise“ vorankommen. Linker: „Die Alternative ist, gar nichts zu tun.“ Die drei stationären Einstiegshilfen seien bereits ein Novum. Wegen der kurzen Haltezeiten auf den Bahnhöfen könnten die Hubanlagen aber nur an den Endpunkten der Strecke

aufgestellt werden.

Für weitere Verbesserungen hofft Linker auf eine Studie beim Bundesverkehrsministerium, in der untersucht werden soll, wie die Belange Behinderter in S-und City-Bahnen besser berücksichtigt werden können. Doch bis diese Studie vorliegt und ausgewertet ist, werden noch einmal mehrere Jahre ins Land gehen.

Aus Protest gegen das zögerliche Vorgehen wollen die RollstuhlfahrerInnen morgen nicht an der Einweihungfeier teilnehmen, auf der Konrad Kunick die erste Hubanlage vorstellen will. Mit dieser Anlage können die Behinderten bislang nämlich noch gar nichts anfangen, da die Hubanlagen für den Bremer Hauptbahnhof frühestens Mitte Juli geliefert werden. So bleibt für RollstuhlfahrerInnen einstweielen nur die Strecke Vegesack-Bremen-Vegsack. Ausstiegsmöglicheit unterwegs: keine. hbk