Wer hat Angst vor Pinochet?

■ Der chilenische Ex-Diktator ist auf Geschäftsreise in Europa/ Treffen mit Rüstungsproduzenten

Berlin (taz) — Rüstungsgeschäfte sind offensichtlich der Zweck einer mysteriösen Reise, die der chilenische Ex-Dikator und immer noch Militärchef Augusto Pinochet zur Zeit durch Europa macht. Am 15.Mai kam er in Begleitung zahlreicher Bodyguards in Lissabon an. Seither hat er — soviel steht fest — portugiesische und britische Rüstungsproduzenten sowie mindestens einen portugiesischen General getroffen; außerdem dozierte er vor der Presse über die Rolle des Militärs in seinem Land („Ich bereue nichts“). Ob der Ex-Diktator außerdem auch mit Politikern zusammengekommen ist und ob er andere europäische Länder besuchen wird — vor allem die Schweiz steht auf seinem Wunschzettel — ist unbekannt. Sprecher mehrerer europäischer Regierungen erklärten, sie hätten mit dem Gast nichts zu tun, aber auch Vertreter mehrerer Rüstungskonzerne behaupten, Pinochet nicht eingeladen zu haben.

Südafrika, das ursprüngliche Hauptreiseziel des Diktators, mußte als erstes Land von der Reiseliste gestrichen werden. Die Behörden in Pretoria hatten nach Santiago de Chile gekabelt, daß sie nicht für die Sicherheit des Gastes garantieren könnten. Die Aussicht auf den Pinochet-Besuch hatte zuvor eine heftige Kontroverse ausgelöst, in der sich der ANC gegen Beziehungen zu Diktatoren aussprach. In Europa wurde keine Regierung so deutlich. Sprecher des Außenministeriums in Paris teilten allerdings in der vergangenen Woche prophylaktisch mit, daß Pinochet nicht mit einem Visum für Frankreich rechnen könne.

Pinochet machte unterdessen einen Abstecher nach London. Dort traf der Ex-Diktator, der als Armeechef auch im Aufsichtsrat der halbstaatlichen chilenischen Waffenfabrik Faeme sitzt, die Leitung der British Aerospace, die unter anderem Boden-Boden-Raketen herstellt. Über das Ergebnis der Gespräche wurde nichts bekannt. In Lissabon will Pinochet nach Partnern für Joint-ventures mit der chilenischen Rüstungsbranche suchen. Er traf Vertreter der staatlichen protugiesischen Firma Indep, die Waffen und Munition herstellt, des Telekommunikationsherstellers Centrel und des Waffenherstellers UMM. Von UMM will Chile angeblich 220 Jeeps kaufen. Ein bekannter portugiesischer Waffenhändler, Alpoim Calvao, sagte in einem Interview, daß Pinochet auch eine Kanone erwerben wolle, die auf die portugiesischen Jeeps montiert werden kann.

In die BRD will Pinochet nach Ansicht des Militärattachés der chilenischen Botschaft nicht reisen. Wo der General sich seit Dienstag aufhält, als sich seine Spur in Lissabon verlor, ist allerdings unbekannt. dora