Crazy Loquat Club ! mit 3 Mustaphas 3, Musicians Of Permet, Raducano und Apparatschik

■ Ostwärts in alle Richtungen!

Wackeln im Tempodrom: 3 Mustaphas 3 (voto: R.Owsnitzki)

Sollte es jemand etwa noch nicht bemerkt haben? Seit dem 1. Mai residiert der Crazy Loquat Club im Tempodrom. Der Club ist weder eine Diskothek noch ein Ersatz für die von manchen schon totgeglaubten Heimatklänge. Die Heimatklänge im Juli und August (Thema in diesem Sommer: Indien) bleiben uns trotz finanzschwachem Kulturetat erhalten. Der Crazy Loquat Club versteht sich quasi als weltmusikalischer Anheizer dazu. Organisator und für die Programmauswahl zuständig ist bei beiden Veranstaltungen Borkowsky Akbar.

Wobei der Crazy Loquat Club die Vorzüge eines Privatclubs bietet. Hier kann kein Goethe-Institut, ja nicht einmal das benachbarte Haus der Kulturen der Welt, pädagogische Musikunterrichtskonzepte ins Programm mogeln. Ohne den vermeintlich aufklärerischen Zeigefinger, der uns immer gleich erklären will, warum wir »fremde« Musik mögen, gibt es im Crazy Loquat Club nur eins zu lernen: es gibt keine fremde Musik mehr. Der kleine Nachteil eines »Privatclubs«: die Konzerte kosten Eintritt, weil sie nicht senatsfinanziert sind. Die Preise bewegen sich, für bis zu vier Bands am Abend, im erträglichen Rahmen um 20 DM.

Die interkontinentale Musikmischung reicht von afrikanischen über bulgarische Bands (der Chor Le Mystere Des Voix Bulgares am 8. Juni) bis zu einem logistischen Aufprall von Jazz und indischer Musik. Hierzu wird am kommenden Mittwoch der Saxophonist John Handy gemeinsam mit David Friesen (Bass) auf das Music Ensemble Of Benares treffen.

An diesem Samstag wird im Crazy Loquat Club aber zunächst das 1. Balkan Blues Festival die Puristen in Verwunderung stürzen. Mit vier Bands gilt es den Glauben zu vertreiben, es gäbe so etwas wie authentische Musik. Aushängeschild dafür sind seit Jahren 3 Mustaphas 3.

Der Balkan-Clan um Onkel Patrel Mustapha, der unlängst durch den Erwerb einer riesigen Fez-Fabrik in der Tschechoslowakei in die Schlagzeilen der Weltpresse geriet, wird direkt aus London eingeflogen. Ob Onkel Patrels Geschäfte (die Fez-Fabrik beschäftigt immerhin 2.300 Mitarbeiter bei einem Jahresausstoß von 980.000 Fezen) es zulassen, sein Büro in London zu verlassen, ist noch ungewiß.

Bei einem Besuch dort, bot sich uns ein Bild des Chaos. Die vor wenigen Wochen noch gemütliche Wohnung der Mustaphas in Soho verwandelte Patrel in die Chefetage einer Firma, die sich anschickt, den Weltmarkt für Feze zurückzuerobern, den sie durch das Auseinanderbrechen des österreich-ungarischen Fez-Kartells 1912 verlor. Beim Exklusiv-Interview war Patrel nur die Zusicherung abzuringen, die komplette Mustapha Familie reise selbsverständlich zum Konzert nach Berlin (schon allein weil sie in der Bürowohnung zuviel Platz beanspruchten). Im Zimmer der Großmutter Fatmah wolle er endlich Fernschreiber und Telefax unterbringen. Obwohl sein Vater ihn vor dem Kauf der Firma gewarnt habe (»du kannst doch nicht gleichzeitig eine Band und eine Fezfirma leiten«) sei er wild entschlossen »Arbeitsplätze gerade im wirtschaftlich unterentwickelten Balkan zu retten«.

Er werde höchstwahrscheinlich mit einer von der Interflug übernommenen Iljuschin- Frachtmaschine direkt aus Prag nachkommen. Im Gepäck der Feznachschub für Gesammt-Berlin, dessen Ostmarkt Patrel mit einer Geheimstrategie zu erobern gedenkt.

Wie dem auch sei, neben 3 Mustaphas 3 werden die Musicians Of Permet aus Albanien, die Raducnos aus Rumänien und Apparatschik aus Berlin auftreten. Die Albaner aus dem Bergdorf Permet kommen mit drei Sängerinnen, mehreren Klarinetten-, und Lautenspielern, zwei Geigern und einem Akkordeon. Sie versprechen bei ihrer hiesigen Deutschland- Premiere keine »Staatsmusik sondern den wahren Skipetaren Blues« zu verkünden.

Vor zwei Jahren waren sie schon für die Heimatklänge gebucht, konnten aber wegen der politischen Verhältnisse Rumänien nicht verlassen. Heute werden Johnny Raducano und sein Orchester erneut die rumänischen Grenzpolizisten vor die Frage stellen, wie weit es nach der Revolution mit der Reisefreiheit gediehen ist. Fragt sich nur ob die Beamten auf »Gipsy Jazz« stehen...

Vierte Band beim balkanischen Bluesmeeting sind Apparatschik. Die Berliner, bislang nur als Straßen- Feten- und Kneipenband weltmusikalisch aufgefallen, schicken sich an, das Festival mit »russischer Volxmusik« zu beglücken. Ob diese Selbst-Klassifizierung wirklich irgend etwas mit ihrer Musik zu tun hat, steht mehr oder weniger genauso fest wie bei den anderen Bands. Balalaika und Akkordeon allein machen noch keinen Russen aus einem Kreuzberger.

Aber Onkel Patrel wird auch für Apparatschik den passenden Fez zur Hand haben. So wahr er ein Mustapha ist!

1. Balkan Blues Festival beim Crazy Loquat Club! ab 20 Uhr im Tempodrom. Andreas Becker