»Diese Show ist banal« — aber mit Netz und doppeltem Boden

■ Das Chamäleon Varieté in Mitte mit einem neuen Programm — Das LaVie besorgt die Karten

Matratzen-Dressur als Varieté-Gag?(Foto: Martin Pallgen)

Seit drei Monaten existiert das Varieté Chamäleon in der Rosenthaler Straße, direkt am Marx-Engels-Platz. Letzte Woche hatte das neue Programm Premiere:

Die Show beginnt drei Meter vor der Kasse: Die Künstler höchstselbst ulken als Kellner, Kartenabreißer oder Platzanweiser durch Foyer und Saal, »um das Publikum warm zu machen«, sagt Hacki Ginda vom Ensemble. Der eigentlicher Effekt aber ist der, »daß die Künstler warm werden.«

Vom Varieté-Nostalgiker um die 70 bis zum verzückten Oberschüler ist im Publikum alles zu sichten. Damit dieses dann auch wirklich warm werden kann, kalauert die vierzehn Mann und Frau starke Truppe auf Scherz-komm-raus: »Und damit schalten wir um ins Aktuelle Sportstudio: Guten Tag meine Damen und Herren. Wir sehen gerade Harry Schrittmacher, der gestern schon in der Futon-Klasse antrat. Er ist auch beim heutigen Matratzen-Dressurreiten mit seiner in Hannover gezogenen Kür-Schlaraffia dabei. Ja, wunderbar, wie Reiter und Matratze den Parcour durchmessen.« - Manche Nummern nähern sich gefährlich dem Abgrund des Banalen, doch immer gibt es Netz und doppelten Boden: Conférencier Michael Genähr beginnt mit einer »Jonglage-Blamage«: Nur ein Ball. - »Wenn der Applaus nicht so spontan einsetzt, dann klingt das immer so nach Mitleid«, und zaubert doch am Ende mit fünf Bällen gleichzeitig -ohne Mitleidsklatscher.

Glück hatte das Chamäleon mit den Räumen. Die Häuserzeile an der Rosenthaler Straße, die sogenannten Hackeschen Höfe, zeigen verschämt Jugendstil. Der Saal selbst, mit schnörkellos-schönen Säulen, hat Geschichte: 1906 als Naumann'sche Ballsäle erbaut, wurde daraus Ende der zwanziger Jahre das Kino Imperial. Von 1947 bis 54 hieß es Varieté Imperial und wurde danach zur Probebühne des DFF umfunktioniert. Der zog zum 1. Januar aus und das Chamäleon ein. Der Brückenschlag zwischen dem traditionellen und dem modernen Varieté ist erklärtes Ziel des Chamäleon. Ein Brückenschlag ist bestimmt schon geglückt: Einige Stücke kennt man noch von Parody Paradise, der Wanderbühne, die letztes Jahr am Blücherplatz ihr Zelt aufgeschlagen hatte. Von dort kommt der Rumpf der Truppe und auch die Gesamtidee. »Varieté«, sagt Hacki Ginda, »Varieté fängt mit V an. Und Varieté ist eine volksnahe Kunst. Unser Konzept ist nicht, Las Vegas hierher zu holen, sondern selbst zwei Stunden Unterhaltung vom Feinsten zu machen.«

Und wer es selbst sehen will: Das Varieté Chamäleon spielt von Donnerstag bis Montag jeweils um 20.30 Uhr. Eintritt 22,- DM, die Ermäßigung auf 15,- DM gilt nicht für Freitag und Samstag. Zu teuer? Dafür gibt es den LaVie-Service. Die ersten Fünf, die am Montag, 27.Mai unter der Telefonnummer Ost 2827118 anrufen (Kennwort: LAVIE), erhalten je zwei Freikarten für den Montagabend. klm

Varieté Chamäleon, Rosenthaler Straße 40/41, donnerstags bis montags 20.30