: Arbeit für frauenfreundliche Medizin gefährdet
■ Der Senat will dem Feministischen Frauengesundheitszentrum (FFGZ) die bereits zugesicherte finanzielle Aufstockung für 1991 streichen/ Das FFGZ ist eines der ältesten Selbsthilfeprojekte der Stadt/ Allein 1990 kamen 5.000 Frauen zur Beratung
Schöneberg. Keine Lust auf Pille oder Spirale? Wo wendet frau sich hin, wenn sie sich gründlich über gesundheitsfreundliche Verhütung beraten lassen will? Wo kann sie sich informieren über Abtreibungsmethoden, Krebsfrüherkennung und gesunde Ernährung, bei Problemen wie Migräne, Myome, Menstruationsbeschwerden oder ungewollter Kinderlosigkeit Rat holen?
Am besten beim Feministischen Frauengesundheitszentrum (FFGZ) in der Bamberger Straße 51 in Schöneberg. Seit 17 Jahren bietet der Verein Frauen jedes Alters rund um die Themen Sexualität, Körper und Gesundheit ein breites Beratungs- und Informationsangebot. Die Mitarbeiterinnen sind als Referentinnen bei Wohlfahrtsverbänden, Frauengruppen und Kirchen oder als Expertinnen bei Hearings häufig gefragt. Seit 1977 erscheint außerdem 'Clio‘, einzige Zeitschrift zur Frauenselbsthilfe und -gesundheit in der BRD.
Jetzt aber ist die Arbeit des FFGZ gefährdet, denn die Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales hat einen Gutteil der für 1991 in Aussicht gestellten Gelder eingefroren. Fast 10 Jahre mußte der Verein ohne einen Pfennig Staatsknete vor sich hin krepeln, bevor die Arbeit der medizin- und ärztekritischen Selbsthilfegruppe als förderungswürdig anerkannt wurde. Erst 1983 übernahm der Gesundheitssenat einen Teil der Personal- und Sachkosten. Zuletzt, das heißt im Haushaltsjahr 1990, in Höhe von 68.000 Mark. Dann zeitigten Verhandlungen mit dem rot-grünen Senat Erfolg: Mit 146.000 Mark Regelförderung wurde das Projekt in den Haushaltsplan 1991 aufgenommen und dann noch einmal um 50.000 Mark nachgebessert. Mit diesen 196.000 Mark näherte sich das Gesundheitszentrum »zum ersten Mal einer existenzsichernden Grundlage«.
Mitte Januar aber folgte die kalte Dusche. Der neue Gesundheitssenat teilte mit, daß fürs laufende Jahr lediglich der Etat 1990 bewilligt worden sei. Außerdem müsse mit einer zusätzlichen Kürzung von 11,5 Prozent gerechnet werden. Die Arbeitsverträge für die bereits genehmigten zusätzlichen Stellen sollten aufgelöst werden. Interventionen beim Senat und den Fraktionen fruchteten bislang nichts. Ein Antrag der Alternativen Liste, dem FFGZ und anderen Projekten, die zugesagten Gelder zu bewilligen, wurde vergangene Woche im Gesundheitsausschuß abgeschmettert. Bleibt auch der Hauptausschuß am 12. Juni beim Nein, sehen die Mitarbeiterinnen düster in die Zukunft. Auslaufende ABM- Stellen werden dann wohl kaum mehr verlängert. Zum Ende des Jahres würde dann die Beratung für ungewollt kinderlose Frauen wegfallen, einzige Anlaufstelle in der Stadt, die nicht an die Uni-Klinik und ihre Programme für künstliche Befruchtung gekoppelt ist. Auch die Beratung für Frauen, die Erfahrungen mit sexueller Gewalt gemacht haben, fiele dem Rotstift zum Opfer. Manch eine der acht festen FFGZlerinnen fragt sich inzwischen, ob sie sich weiter wie bisher mit mies bezahlten Honorarverträgen benügen oder die Arbeit nicht lieber an den Nagel hängen will. Verloren gingen dem Projekt dann nicht nur langjährige Mitarbeiterinnen sondern auch wertvolles Expertinnenwissen. Ganze Arbeitsbereiche müßten aufgegeben oder reduziert werden. Folgen, die auch über Berlin hinaus zu spüren wären. Denn das Berliner FFGZ, das erste überhaupt in deutschen Landen, spielte in der Frauengesundheitsbewegung immer eine wichtige Rolle — in punkto Selbsthilfe genauso wie in der Kritik an der Schulmedizin, an der Macht der ÄrztInnen und der Pharmaindustrie über Frauen und ihren Körper, an den Gen- und Reproduktionstechnologien und ihren eugenischen Implikationen. Im vergangenen Jahr kamen über 5.000 Frauen zur Einzelberatung oder zu einer der Gruppenveranstaltungen in die Räume in Schöneberg — ganz abgesehen von zahlreichen Terminen außer Hause. Auch in Ost-Berlin und den anderen neuen Ländern wächst das Interesse an der Arbeit des FFGZ ständig. »Besonders ärgerlich ist«, so Mitarbeiterin Regina Röring, »daß in das hochtechnologisierte Gesundheitswesen Unsummen gesteckt werden, während die Selbsthilfeprojekte, die bekanntlich dem Gesundheitssystem viel Geld ersparen, rigoros gekürzt werden.« Ulrike Helwerth
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