Schwarzes Rollback in der Heckelmann-Behörde

■ Berliner Verfassungsschützer konspirierten 1989 gegen den rot-grünen Senat/ Innensenator Heckelmann hievt skandalumwitterte Polit-Beamte offenbar auf hohe Posten in der Innenbehörde/ SPD- und ÖTV-Mitglieder sollen dagegen geschaßt werden/ Ein Hintergrundkrimi in zwei Folgen

Im Gebälk der schwarz-roten Berliner Koalition knarrt es. Grund ist die Personalplanung in der Innenverwaltung unter ihrem neuen Dienstherrn, dem parteilosen, aber CDU-nahen ehemaligen Präsidenten der Freien Universität, Dieter Heckelmann. Schon immer, gleich unter welcher Regierung, war die Berliner Innenbehörde für allerlei Skandale gut und nicht selten erwies sich der Ledersessel des Innensenators am Fehrbelliner Platz als Schleudersitz. Insbesondere die Berliner Polizei, vor allem aber auch der Westberliner Verfassungsschutz lieferten dafür über Jahre handfeste Skandale und Anlaß zu heftiger Kritik in der Öffentlichkeit.

Ein Teil des neuerlichen Ärgers in der Innenbehörde wurde am letzten Wochenende bekannt — allerdings nur die Spitze des Eisbergs. Hervorgetan hatte sich dabei der ehemalige Chef der Politischen Polizei und jetzige dritte Mann in der Polizeihierarchie, Landespolizeidirektor Manfred Kittlaus. An seinem Vorgesetzten, Polizeipräsident Georg Schertz, vorbei präsentierte Kittlaus seinem obersten Dienstherrn, Innensenator Heckelmann, eine von ihm entworfene Personalplanung für die Polizei. Darin enthalten auch die Personalvorschläge für die Leitung der zwei neu zu schaffenden Polizeidirektionen im Ostteil der Stadt. Heckelmann nahm an, hatte er seinen Landespolizeidirektor doch selbst dazu ermuntert, Polizeipräsident Schertz kurzerhand zu umgehen. Kein Wunder: Schon seit Jahren gilt der zwar noch mit einem SPD-Parteibuch ausgestattete Kittlaus als Protegé rechtslastiger CDU-Kreise im Rathaus Schöneberg.

Dieser dreiste Coup rief allerdings nicht nur den so brüskierten Polizeipräsidenten, sondern auch sämtliche obersten Polizeiführer zum »Aufstand der Generale« auf den Plan. Eilfertig folgte Dienstherr Heckelmann dem Protest seiner Polizeiführer und zog den Kittlaus-Vorschlag zurück. Hatte Kittlaus auf diese Weise den Zorn der Polizeiführer hervorgerufen, so sorgt er mit einer ganz anderen Art von Marotte eher für Belustigung: Obwohl ihm als Verwaltungsbeamten ohne Exekutivbefugnisse das Tragen einer Uniform untersagt ist, zeigt sich Kittlaus zu allen denkbaren Anlässen in seiner maßgeschneiderten »Generalsuniform«, auf deren Schulterstücken eigens für ihn entwickelte Rangabzeichen prangen.

VS von der Stasi durchleuchtet

Noch mehr Ärger als über diese Turbulenzen bei der Polizei gibt es in der schwarz-roten Koalition jedoch über die jüngst bestätigten neuerlichen Skandale um den Berliner Verfassungsschutz und über Heckelmanns Personalpläne für Verfassungsschutz und Innenverwaltung. Was vor rund zwei Jahren, kurz nach Antritt des rot-grünen Westberliner Senats schon als Mutmaßung des damaligen Innensenators Erich Pätzold, SPD, durch die Öffentlichkeit ging, wurde durch Aktenfunde im ehemaligen Ministerium für Staatssicherheit der DDR (MfS) jetzt zur Gewißheit. Das MfS hatte über Jahre eine Fülle von Dienstgesprächen zwischen dem Berliner Verfassungsschutz und der Zentraldienststelle, dem Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) in Köln, auf Punkt und Komma aufgezeichnet. Mitgeschnitten wurden dabei nicht nur diverse konspirative Einsatzpläne der Westberliner Behörde, sondern das MfS wurde auch Ohrenzeuge von Gesprächen zwischen hochrangigen Verfassungsschützern in Köln und Mitarbeitern des Westberliner Geheimdienstes, die heftig gegen den rot- grünen Senat intrigierten. Vorschriftswidrig waren alle diese Gespräche unter Umgehung des Zerhackers im Klartext geführt worden. Was den Geheimen selbst fürs Telefon zu brisant erschien, wurde auf dem Kurierwege erledigt, so heißt es in Insider-Kreisen. Den Postboten in dieser Intrige soll damals ein bereits mehrfach unrühmlich aufgefallener Referatsleiter im Berliner Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) gespielt haben, der heute in hochrangiger Position im Innensenat beschäftigt ist. Mehrfach soll er im Sommer 1989 zwischen Berlin und Düsseldorf gependelt haben, um sich dort mit Männern des Bundesamtes und einem US-Geheimen zu treffen.

VS-Intrige gegen den rot-grünen Senat

Die Geheimen stuften den rot-grünen Senat als »Sicherheitsrisiko« ein und hatten im Sinn, diesen durch gezielte Indiskretionen und Verleumdungen in Mißkredit zu bringen und zu kippen. Dazu gehörte auch, daß man die Berliner von den Informationssträngen der Bundesbehörde abschneiden wollte. Einer dieser Konspirateure im Berliner Landesamt soll der ehemalige Adlatus des CDU- Rechtsauslegers Heinrich Lummer im Verfassungsschutz und derzeitige Chef der Berliner KFZ-Zulassungsstelle, der Leitende Regierungsdirektor Reimar Osswald, gewesen sein.

Osswald, der später von Erich Pätzold in die KFZ-Stelle versetzt wurde, als seine Stelle im Zuge einer Neuorganisation des Verfassungsschutzes weggefallen war, soll schon kurz nach Antritt des rot-grünen Senats im Frühjahr 1989 zum ersten Schlag gegen die ungeliebte Stadtregierung ausgeholt haben, so kursiert es im Amt. Mit Unterstützung des stellvertretenden Leiters der Spionageabwehr im Bundesamt für Verfassungsschutz, Dr. Rombach, soll er über seinen Intimus im Schöneberger Rathaus, den sicherheitspolitischen Sprecher der CDU, Klaus- Hermann Wienhold, eine Diffamierungskampagne in die Öffentlichkeit lanciert haben, dergemäß sich Innensenator Pätzold angeblich unzulässigerweise mehr Urlaubstage genehmigt hatte, als ihm zustanden. Über Tage hinweg beherrschten die Urlaubstage des Senators die Berliner Boulevardpresse. Dieser Reimar Osswald steht nun wieder ganz oben auf der Personalliste des neuen Innensenators Heckelmann für den Berliner Verfassungsschutz. Und er ist nicht der einzige auf dieser Liste von Wunschkandidaten mit skandalumwobener Vergangenheit.

Spiritus rector dieser geplanten Personal-Rochade im Berliner Verfassungsschutz, die streng nach Parteibuch erfolgt, ist besagter Ex-Kripobeamte und stellvertretende Vorsitzende der CDU-Fraktion im Schöneberger Rathaus, Klaus-Hermann Wienhold. Dafür ist Wienhold gut plaziert, ist er doch vorgesehen als Vorsitzender des Verfassungsschutz-Ausschusses im Berliner Abgeordnetenhaus und damit oberster Kontrolleur des Berliner Geheimdienstes. Sein Schnäppchen macht dieser wackere Parlamentarier nicht nur mit erzkonservativer Personalpolitik, sondern nebenbei auch als hochdotierter Geschäftsführer einer privaten Müllbeseitigungsfirma.

Hans-Jürgen Przytarski macht wieder Karriere

Ganz oben auf der Wunschliste des Duos Wienhold und Heckelmann steht ein über die Jahre und durch zahlreiche Justiz- und Korruptionsskandale bewährtes Stehaufmännchen, der Ex-Oberstaatsanwalt der politischen Abteilung am Berliner Kammergericht und unter CDU-Regierung stellvertretende Leiter des Westberliner Verfassungsschutzes, Hans-Jürgen Przytarski. Unter anderem wegen seiner engen Verbindungen zu dem rechtskräftig verurteilten Berliner Bauspekulanten und Betrüger Wolfgang Kind, einer zentralen Figur des Berliner Bestechungssumpfs, mußte ihn der damalige CDU-Innensenator Kewenig auf den Posten des Chefs des Landesverwaltungsamtes wegloben. Sogleich nach Antritt des derzeitigen schwarz-roten Senats holte man Przytarski aus dieser Versenkung allerdings wieder hervor und machte ihn zum Leiter der »Koordinierungsgruppe zur Unterstützung des Ostberliner Verwaltungsaufbaus«. Vorgesehen ist der Mann für Höheres: Zum 1. August 1991, so heißt es, soll Przytarski die Abteilung V der Innenbehörde übernehmen, die unter anderem zuständig ist für die gesamte Organisation und Personalplanung der Berliner Verwaltungen.

Um Platz für Przytarski zu machen, schickt Heckelmann den jetzigen Leiter der Abteilung V, den 62jährigen parteilosen Rudolf Note, in den vorzeitigen Ruhestand. Sein designierter Nachfolger Przytarski ist in West-Berlin und darüber hinaus bis weit in die alten Bundesländer hinein kein Unbekannter. War er doch der leitende Staatsanwalt in dem unlängst eingestellten Fememordverfahren gegen den Studenten Ulrich Schmücker, dem längsten und mit zahlreichen Skandalen gespickten Verfahren der deutschen Nachkriegsgeschichte. Wie auch in der erst in diesem Jahr ergangenen Einstellungsverfügung vermerkt wird, hatte Przytarski als anklagender Staatsanwalt in diesem Verfahren eine derart unrühmliche Rolle gespielt, daß das Gericht seine Manipulationen in dem Verfahren in die Nähe der Rechtsbeugung rückte. Nicht einmal ausgeschlossen werden kann, so geht es aus der Begründung der Einstellungsverfügung hervor, daß der Mann einen Meineid geleistet hat. Chuzpe besaß Przytarski, als er ausgerechnet bei seiner Übernahme als Vizepräsident des Landesamtes für Verfassungsschutz besagten Bauspekulanten Kind als Leumund für die Sicherheitsüberprüfung angab. Und auch trotz scharfer Einwände gegen diese Berufung seitens des damaligen britischen Stadtkommandanten brachte CDU-Innensenator Kewenig Przytarski seinerzeit auf seinen sensiblen Posten als VS-Vize. Hans Schulz

Den zweiten Teil unseres Hintergrundberichtes veröffentlichen wir morgen an dieser Stelle. Die Themen: Personalpolitik nach CDU-Parteibuch. Und: Wie die Stasi dem Berliner Verfassungsschutz einmal ein Geheimdienstkonzept entwickelte...