Die klügste Entscheidung

■ Sonia Gandhi entzieht sich dem Kalkül der indischen Kongreßpartei

Die klügste Entscheidung Sonia Gandhi entzieht sich dem Kalkül der indischen Kongreßpartei

Immer hat sich Sonia Gandhi gefügt. Sie galt als gute Ehefrau, Mutter und Schwiegertochter. Mit allen in der Männerwelt so beliebten Tugenden der Anpassungsfähigkeit und Unterstützung des Gatten in der Bürde seines Amtes. Und sie ist schön.

Mit Rajiv Gandhis Eintritt in die Politik legte sie ihre italienische Staatsbürgerschaft ab, lernte Hindi und kleidete sich von nun an im Sari. Sie habe einen Widerwillen gegen die Politik gehabt, berichten die Medien. Doch als Indira Gandhi und die Führung der Kongreßpartei beschlossen, Rajiv müsse als Ersatz für den verunglückten Bruder die Erbfolge der Nehru-Gandhi-Dynastie antreten, da habe sie sich brav geschickt.

Auch in diesem Wahlkampf hat sie wieder für ihren Mann geworben. Dabei, so ist es nun in den Porträts der Nachrichtenagenturen über Sonia Gandhi zu lesen, betonte sie: „Mein Mann ist der Boß... Ich bin so erzogen, daß ich denke, daß mein Ehemann mir überlegen ist.“

Als die 18köpfige Arbeitskommission der indischen Kongreßpartei sie am Tage nach der Ermordung ihres Gatten zur Nachfolgerin im Amt der Parteichefin bestimmte, war sie nicht gefragt worden. Die Herren hielten es nicht einmal für nötig, sie vorab zu informieren. Die Entscheidung der Kommission sei bindend, hatte Parteisprecher Pranab Mukherjee erklärt. Sonia Gandhi habe keine Möglichkeit, das ihr angetragene Amt auszuschlagen. Die Partei- und Familienraison schienen der Witwe keinerlei Entscheidungsspielraum zuzugestehen.

Welches Kalkül die Parteiführung auch immer zu diesem Schritt bewegt haben mag — mit der Frau selbst, ihren eigenen politischen Ambitionen oder Fähigkeiten hatte er nichts zu tun. Sie mag von der Führung der Kongreßpartei für anpassungsfähig und ausreichend manipulierbar gehalten worden sein. Doch in dieser Situation besaß Sonia Gandhi genug Klugheit, sich deren Kalkül zu entziehen. Sie sagte einfach: „Nein!“ Jutta Lietsch