Balcerowicz hält Kurs

Auch angesichts der Streikwelle hält Polens Regierung an Wirtschaftspolitik fest/ Bedingungen für Polen seien günstiger als die in der Ex-DDR  ■ Aus Warschau Klaus Bachmann

Polens Vizepremier und Finanzminister Leszek Balcerowicz hat vor dem Parlament die Linie der Regierung Bielecki vor dem Hintergrund einer Streik- und Protestwelle verteidigt. „Ich glaube daran, daß niemand mit unserer gemeinsamen Chance und den Erwartungen der Menschen spielt“, sagte er mit Blick auf zahlreiche Gegner seines Wirtschaftsprogramms. Balcerowiczs Rede vor dem Sejm ist — obowohl bereits seit längerem geplant — die Antwort der Regierung sowohl auf die Kritik oppositioneller Wirtschaftsexperten an der Regierung, als auch auf die anhaltende Streikwelle, die gestern mit dem landesweit befolgten Protesttag von Solidarność ihren vorläufigen Höhepunkt fand.

Für die Schwierigkeiten der Wirtschaft Polens machte Balcerowicz vor allem den Zusammenbruch des Handels innerhalb des RGW sowie das „Vorwahlfieber“ verantwortlich, in dem, wie sich Balcerowicz ausdrückte, „wirtschaftliche Probleme zu öffentlichen und politischen Handelsobjekten werden und so Gruppenkonflikte anheizen“. Entweder gehe man den eingeschlagenen Weg weiter, oder das Land versinke erneut im Wettlauf der Löhne mit den Preisen und dem wirtschaftlichen Chaos.

Hauptziel der Regierung werde die Bekämpfung der Rezession sein, allerdings ohne dabei eine höhere Inflation zuzulassen. Produktionsrückgänge seien in allen postkommunistischen Ländern, am schärfsten in der ehemaligen DDR, zu beobachten, verteidigte Balcerowicz seine Linie. Polen sei es gelungen, diesen Produktionsrückgang besser aufzufangen, als dies Deutschland gelungen sei. „Wir müssen aus den Erfahrungen Ostdeutschlands eine Lehre für uns ziehen“, erklärte der Finanzminister. Dies sei bereits dadurch gelungen, daß man im Gegensatz zur Ex-DDR eine drastische Steigerung der Lohnkosten habe vermeiden können.

Balcerowicz räumte ein, daß es gerade die Lohnsteigerungen der zweiten Hälfte des letzten Jahres gewesen seien, die Polen eine höhere Inflationsrate als geplant beschert hätten. Auch seien im ersten Quartal dieses Jahres die Budgeteinkünfte 15 Prozent niedriger gewesen als geplant. Balcerowicz kündigte zugleich an, die Regierung werde das Defizit mit verminderten Ausgaben, keinesfalls aber durch eine höhere Staatsverschuldung ausgleichen.

Mindestens 400 Staatsfirmen sollen in diesem Jahr in staatliche Aktiengesellschaften umgewandelt und anschließend privatisiert werden, die Privatisierung von 600 weiteren solle für das Jahr 1992 vorbereitet werden. Kleinere Betriebe sollen schnell versteigert werden. Balcerowicz warnte ausdrücklich vor Xenophobie gegenüber ausländischen Investitionen. Darüber hinaus kündigte er investitionsfreundliche Steuerreformen und härtere Bedingungen für konkursreife Betriebe an. Ein spezielles Programm zur Schaffung neuer Arbeitsplätze in Gebieten mit besonders hoher Arbeitslosigkeit soll erarbeitet werden.