Lenin wird auch in Äthiopien gekippt

Addis Abeba (afp) — Auch zwei Tage nach der Flucht des verhaßten ehemaligen Staatspräsidenten Mengistu Haile Mariam hielten die Bürgerkriegskämpfe in Äthiopien an. Einheiten der Rebellenbewegung „Revolutionäre Demokratische Volksfront Äthiopiens“ (EPRDF) hatten sich nach Diplomatenangaben bis auf 30 Kilometer der Hauptstadt Addis Abeba genähert.

Der amtierende Staatschef General Tesfaye Gebre Kidan erklärte in Übereinstimmung mit der Forderung der Rebellen seine Bereitschaft zur Einsetzung einer Übergangsregierung und sagte: „Wir warten dringend auf eine Antwort der Opposition, um das Blutvergießen unverzüglich zu beenden.“ In einer in London verbreiteten Erklärung wiesen die Rebellen das Angebot zurück, noch vor dem für Montag in London geplanten Beginn von Friedensverhandlungen einen sofortigen Waffenstillstand zu schließen. „Das äthiopische Volk wird den Kampf erst dann aufgeben, wenn die alte Regierung vollständig gestürzt ist“, hieß es weiter in der Mitteilung.

In der Hauptstadt verfolgten jubelnde Menschen den Sturz einer zehn Meter hohen Lenin-Statue. Unterdessen breitet sich in der Armee Panik aus. Mehrere Piloten der äthiopischen Luftwaffe sind bereits mit ihren Maschinen ins benachbarte Ausland desertiert. Nach einem Beschluß des äthiopischen Staatsrates wurden am Donnerstag 180 politische Gefangene freigelassen. Unter den Freigelassenen befinden sich zwei Universitätslehrer und sieben Generäle, die als Anstifter eines Staatsstreiches gegen Mengistu im Mai 1989 gelten.

Der geflohene Ex-Präsident ist unterdessen in Simbabwes Hauptstadt Harare angekommen, wo er offenbar bei seinem Onkel in der äthiopischen Botschaft unterschlüpfen wollte. Noch an Bord seines Flugzeuges soll er nach einer Meldung der Zeitung 'The Herald‘ in Harare politisches Asyl beantragt haben. Offenbar aus Furcht vor Kämpfen in der Hauptstadt hat die UdSSR am Donnerstag begonnen, sowjetische Familien aus Addis Abeba zu evakuieren.