I N T E R V I E W
: Bleibt das Neue Forum bundesweit Bürgerbewegt-alternativ-grün?

■ Am Wochenende wird in Bernburg ein Bundesforum der Bürgerbewegten stattfinden/ taz-Interview mit dem Ländersprecher des Neuen Forums in Sachsen, Thomas Pilz

taz: Auf seinem Landestreffen in Leipzig hat das sächsische Neue Forum beschlossen, sich bis Herbst mit den Grünen in Sachsen und den anderen BürgerInnenbewegungen in einem Landesverband Bündnis 90/Grüne zusammenzuschließen. Es folgte damit dem mehrheitlichen Votum der Basis. Was erwartest du vom Bundesforum am Wochenende in Bernburg?

Thomas Pilz: Wir fahren mit zwei Anträgen. Ein Antrag zielt auf Eigenständigkeit der Landesverbände, sowohl finanziell als auch in ihren Entscheidungen. Der zweite Antrag beschreibt für die neuen fünf Länder den Weg zum Bündnis mit den BürgerInnenbewegungen und erklärt, daß mit dem Bündnis 90 keine Konkurrenz zu den Bundesgrünen, sondern eine Zusammenarbeit angestrebt wird.

Also wird nach Bernburg das Neue Forum länderweise von der Bildfläche verschwinden?

Seit dem Leipziger Treffen heißt es immer wieder in den Medien, ein Markenzeichen der Wende verschwinde. Diesen Satz hat in diesem Zusammenhang niemand im Neuen Forum gesagt. Es verschwindet nicht ein Markenzeichen der Wende, sondern das Neue Forum orientiert sich an aktuellen Erfordernissen. Es macht wenig Sinn, die Zersplitterung in fünf Organisationen aufrechtzuerhalten. Jetzt wird in der Struktur vollzogen, was vor Ort schon längst Praxis ist. Bestehende Arbeitszusammenhänge werden auf die nächsthöhere Ebene transportiert, aber es muß niemand fürchten, etwa in eine Partei gepreßt zu werden. Jeder regionalen Organisation obliegt es selbst, wie sie und ob sie überhaupt zu einem Bündnis findet. Ich kann mir durchaus vorstellen, daß in einem Dachverband unterschiedliche Gruppen arbeiten können. Einem Antrag aus Dresden folgend, haben wir in Leipzig beschlossen, die Selbständigkeit der Geschäftsstellen zu wahren, sie also nicht einfach zusammenzuschieben. Doch auch die außerparlamentarische Arbeit benötigt Strukturen, die zu Ergebnissen führen.

Wie wird sich das sächsische Neue Forum entscheiden, wenn die beiden Anträge in Bernburg keine Mehrheit finden?

Bernburg wird eine Entscheidung bringen, ich denke, daß wird das wichtigste Treffen für das Neue Forum. Ich kann mir keine andere Entscheidung vorstellen, als die der Eigenständigkeit der Landesverbände. Wir sind jetzt in der Situation, einerseits verantwortbare Politik in den Parlamenten zu machen, anderseits den Charakter der Bewegung nicht zu verlieren. Wir können diesen Prozeß nicht nur außerhalb des Parlaments, in einem Vakuum vollziehen. Für mich ist BürgerInnenbewegung ein engagierter Teil der Bevölkerung, der bereit ist, politische Verantwortung zu übernehmen, auch in den Parlamenten. Andererseits ist es aber auch die Zusammenarbeit mit den vielen Gruppierungen, die außerhalb der Parlamente stehen. Beides zusammenzubringen, ist immer ein Kunststück, aber eben der Kern der BürgerInnenbewegung.

Wie wird sich das Bündnis in Sachsen zusammenfinden?

Alle Basisgruppen sind Ende Juni zu einer Konferenz nach Aue eingeladen worden, dort wird über die Programmatik von Bündnis 90/Grüne stattfinden. Anfang September, denke ich, wird die Gründung von Bündnis 90/Grüne stattfinden.

In Bernburg könnte sich das Neue Forum auch spalten?

Alles, was das Neue Forum hervorgebracht hat, repräsentiert das Neue Forum. Unter diesem Verständnis braucht es nicht zu einer Spaltung zu kommen. Der Vorwurf, jetzt würde strukturell etwas durchgezogen, was inhaltlich nicht zusammenpaßt, ist meines Erachtens ein Vehikel für irgendwelche abgehobenen Ideen.

Wie stehen denn die anderen BürgerInnenbewegungen in Sachsen zu einem Landesverband Bündnis 90/Grüne?

Wir haben in weiten Teilen von Sachsen schon eine gemeinsame Arbeit, sogar gemeinsame Geschäftsstellen und Fraktionen bis in den sächsischen Landtag hinein. Und wir haben Regionen, in denen diese Zusammenarbeit noch nicht zustandegekommen ist, wo die Gruppen sogar gegeneinander arbeiten. Es erscheint uns als der falsche Weg, wenn über die Gründung eines Landesverbandes diese Gruppen gezwungen werden, in ein Büro zusammenzuziehen und zusammenzuarbeiten. Deshalb gab es im Landesforum auch Konsens über den Antrag des Stadtverbandes Dresden, die Autonomie der einzelnen Verbände zu wahren, mit ihrem Namen, Geschäftsstellen. IFM und DJ waren bei jedem Treffen des Neuen Forums dabei, und der Sprecher von Demokratie Jetzt hat mir gegenüber erklärt, daß es überhaupt kein Diskussionsthema mehr sei, diesen Weg mitzugehen. Die offene Frage für beide Bewegungen wie auch einiger Gruppen, des Neuen Forums zum Beispiel in Dresden, ist wohl der Beitritt zu den West-Grünen. Man kann ein halbes Jahr lang erklären, daß man genau dies nicht wolle, trotzdem steht das Thema in der Öffentlichkeit. Wir verstehen das in Sachsen angestrebte Bündnis als einzige Alternative, das bürgerbewegt-alternative-grüne Spektrum zusammenzubringen.

Einschließlich der Bundes-Grünen.

Wenn wir von Integrationsprozeß reden, meinen wir am Ende einen Beitritt zu den Bundes-Grünen, sondern ein aufeinanderzubewegen von Bundes-Grünen und Bündnis 90/Grünen. Die Grünen müssen sich genauso auf uns zubewegen wie wir auf sie. Interview: Detlef Krell, Dresden