Grüne: Stadtplanung provinziell

■ Eduscho blockiert Europahafen-Konzept, Grunau das AG-Weser-Gelände

Die Wirtschaftspolitik des Bremer Senats ist „zutiefst provinziell“, kritisierte gestern der grüne Bürgerschaftskandidat Ralf Fücks. Überalterte Strukturen würden konserviert, zukunftsweisende Planungen bei nur geringem Widerstand von Unternehmen aufgegeben. Zwei Beispiele hatten die Grünen dafür: den Europahafen und das AG-Weser-Gelände.

Vor zwei Jahren waren Häfensenator Kunick und Umweltsenatorin Eva-Maria Lemke-Schulte mit dem guten Konzept vor die Presse getreten, die überalterten Hafenflächen hinter der Stephani-Brücke und um den Europahafen als Erweiterungsgebiet der City ins planerische Auge zu fassen: moderne Dienstleistungsbetriebe und Wohnbebauung sollte im 21. Jahrhundert dort dominieren. London verplant in dieser Art alte citynahe Hafenflächen, Hamburg auch. „So eine Chance haben nur wenige Städte“, lobte Umwelt-Staatsrat Jürgen Lüthge damals die Idee. An die 100 Hektar städtebaulich interessanter Flächen.

Hafensenator Kunick hatte aber einen dilettantischen Fehler gemacht: Das Konzept war mit dem im Europahafen noch ansässigen Gewerbe nicht abgesprochen. Die Hafenwirtschaft fühlte sich übergangen und meldete Protest an — Bremen ließ das interessante Konzept in der Schublade verschwinden.

Wenn Eduscho jetzt Bedarf an Flächen für Erweiterungen anmeldet und damit winkt, mittelfristig könnten die nach Berlin ausgelagerten Unternehmensteile wieder an die Weser zurückgeholt werden, habe die bremische Stadtplanung dem keinen Rahmen zu setzen. Kritik des Grünen Wirtschaftspolitikers Manfred Schramm: Das Häfenressort will Eduscho den alten Weser-Bahnhof anbieten, damit wäre der Zugang von der City zu dem ins Auge gefaßten Erweiterungsgebiet vollends versperrt.

Auf die an der Weser hingestreckte „Landspitze am Beginn der Innenstadt“ hätte man Siemens holen können (anstatt auf die grüne Wiese an der Uni), das Focke-Museum würde dahin passen, deutete Fücks die Richtung möglicher Planungen an. Wenn es einen wirtschaftspolitischen Willen und ein Konzept gebe, dann könnte man Eduscho Erweiterungsflächen nördlich des bisherigen Geländes in Aussicht stellen, die derzeit für Spedition und Lagerung genutzt werden. Aber wo der stadtplanerische Wille fehlt, ist das kurzfristige Unternehmerinteresse Herr in der Stadt.

Ein anderes Beispiel für „verpaßte Chancen der Stadtentwiclung“ sehen die Grünen im Resultat siebenjähriger Bemühungen auf dem AG Weser-Gelände. Bremen hat ganz auf den Unternehmer Grunau gesetzt, ihm zu Dumping-Preisen Hallen verkauft und Freiflächen langfristig verpachtet. Der Arbeitsplatzgewinn sei „wohlwollend betrachtet gleich Null“, meinte Fücks. Der Flächenverbrauch ein Skandal — auf 1.000 Quadratmeter AG-Weser- Fläche kommt ein Arbeiter bei Grunau, die meisten sind zudem im Büro beschäftigt. Die Wertschöfung bei Grunau sei minimal, und sie geschehe mit so zukunftsträchtiger Arbeit wie Lagerung, Sandstrahlen und Container-Reperatur, empörte sich Fücks. „Und das auf einem Sahnestück von Industriegebiet am Kai“.

„Grunau ist kein Ausrutscher“ so Fücks, da gebe es z.B. auch einen Betrieb mit 36.000 Quadratmetern und 21 Arbeitsplätzen. Von allen auf dem AG-Weser- Gelände angesiedelten Betrieben sei die Fahrradmanufaktur die arbeitsintensivste: 57 Arbeitsplätze auf 2.300 Quadratmetern.

Flächenverschwendung zu Dumping-Preisen auf der einen Seite, laute Klagen über angeblichen Gewerbeflächenengpaß auf der anderen — „das ist schizophren“, kommentierte Fücks die bremische Wirtschaftsbehörde. Und forderte den Häfen-Senator auf, aus der Versenkung hervorzukommen.

Im Häfenressort war gestern Mittag um 15 Uhr niemand mehr für eine Stellungnahme zu ereichen. K.W.