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Mein wunderbarer Frisiersalon

■ »Curl up and Dye«, eine südafrikanische Frauenkomödie im Haus der Kulturen der Welt

Curl up and Dye International«— meldet sich die Friseuse Rolene am Telefon und hofft auf Kundschaft. Doch anrufen tut nur ihr gewalttätiger, paranoider Ehemann und ein Telefonsex-Hungriger. Ansonsten herrscht Flaute im Frisiersalon der Weißen Rolene, mitten im »grauen« Stadtteil Hillbrow im südafrikanischen Johannesburg.

Nur die Stammkundin Mrs. Dubois, eine Hausmeisterin (man kann sie auch als Blockwärterin bezeichnen), dreht wie immer die Runde und hängt sich in alles rein. Hillbrow, in dem nicht nur verarmte Weiße (was nach all der Nachhilfe durch Apartheid einiges sagt!) sondern auch immer mehr Schwarze (Mittelstand, Yuppies) leben, ist ein Hexenkessel: laut, bunt, auch dreckig, brutal — eine explosive Mischung, wie in jeder Großstadt. Wie durch den Spiegel einer der Frisiertische schaut man in die Zukunft und ahnt die schwere Geburt einer multikulturellen Gesellschaft, wovon Apartheid bekanntermaßen das Gegenteil ist.

Bei der südafrikanischen Komödie Curl up and Dye, die unter der Regie von Lucille Gillwald und gespielt von drei weißen und zwei schwarzen Schauspielerinnen ab heute im Haus der Kulturen zu Gast ist, fühlt man sich an Spike Lees Film Do the right thing (USA) erinnert, denn auch hier wird Gesellschaft wie im Reagenzglas als ein Experiment vorgeführt: Neben der Oberrassistin Dubois haben wir da eine Rolene, die so dumm ist wie weiß, die drogensüchtige Prostituierte Charmaine, Miriam, die brave Sowetosklavin und schließlich Dudu, selbstbewußte, schwarze Krankenschwester in einem Hillbrower Krankenhaus.

In einem Frisiersalon wird — während frau den Kopf gewaschen bekommt — viel geredet. Mrs. Dubois sattsam bekannte Vorurteile gegen all that mix — Schwarze sind dreckig, stinken, sind kriminell, reden wie Affen — wird als erstes durch die Figur der in einem unverständlichen Großstadtslang vor sich hinsabbernden, ständig stöhnenden Charmaine konterkariert — schließlich ist die Weiße die Kaputte und nicht umgekehrt. Rolene zeigt sich als »sanftere« Rassistin, paternalistische »Madam«, sie ist der Boß im Laden; das gibt sie trotz 20jähriger Vertrautheit ihrer »Maid« Miriam immer dann zu verstehen, wenn sie frech wird. Die kuscht dann auch und trinkt zur Beruhigung Zuckerwasser.

Obwohl, so ganz Opfer ist Miriam nicht. Sie lacht an den richtigen Stellen (etwa wenn die Weißen dämlich über den ANC reden), ja, sie bedauert diese »frustrierten Weißen«. Doch dann kommt Dudu, und mit ihr steht alles Kopf. Die schwarze Lady mit der teuren Ledertasche, gebildet und selbstbewußt, paßt nicht einmal in Miriams Weltbild. Dudu will nicht im kaputten Soweto leben und auch nicht, wie Miriam kritisiert, lieber nur in »unseren« Krankenhäusern für wenig Geld arbeiten. »Du denkst ja schon weiß«, meint Miriam entsetzt. Es stimmt: Dudu verkörpert das »Neue«, den Wechsel von Hautfarbe hin zu Klasse, sie hat finanziell-intellektuell (aber eben nicht gesellschaftlich) Rolene schon längst überholt, für die jede/r Schwarze, der nach Hillbrow zieht, »der Anfang von ihrem Ende«ist. In Dudus Augen spiegelt sich die Primitivität der weißen »Madams« am unerbittlichsten: »Diese verarmten Weißen sind einfach ekelhaft.«

Bevor die Ladies allesamt nochmal ihr Bestes geben und sich fast zerfleischen, schimmert einmal kurz solidarisches Verhalten durch: Als Frauen, merken sie, geht es ihnen doch allen ähnlich beschissen. Keine ist zufrieden mit ihrem Mann. Am wenigsten Rolene, deren Denzil sie andauernd verdrischt. Voller Mitgefühl raten Miriam und Dudu ihr, den Mann zu verlassen, noch sei es nicht zu spät. Doch von einem »Kaffer« will sich Madam nichts sagen lassen. Das ist die Sternstunde von Mrs. Dubois: »Geh doch zurück in deinen Kraal, zu deinem Stamm, zu den wilden Tieren«, wirft sie haßerfüllt Dudu vor die Füße. Die kontert wütend: »Das brauch ich nicht. Ich sitze mitten unter ihnen.«

Am Ende des Stücks sucht Miriam die Straßen nach Kundinnen ab. Rolene sitzt vor dem Frisierspiegel und zählt ihre blauen Flecken. Maid und Madam, psychologisch und gesellschaftlich ein klassisches Double- bind, bleiben als Nukleus einer sterbenden Welt zurück. Curl up and Dye (die) heißt auch: sich hinlegen und sterben.

Das Stück ist nach dem Musical Ababhemi über Straßenkinder in Johannesburg, das am Donnerstag und Freitag gezeigt wurde die Fortsetzung des Sol'Buyisa — We'll get it back-Programms im Haus der Kulturen der Welt. Daß Südafrika lachen (machen) kann, zeigte schon der vor kurzem hier aufgetretene Kabarettist Pieter-Dirk Uys. Curl up and Dye als human comedy ist ein weiterer schlagender Beweis für die Vitalität der südafrikanischen Kulturszene. Das Stück von Susan Pam (die als Rolene übrigens auch lustvoll und kraftvoll spielt) hebt sich wohltuend von den politischen Laien- und Agit-Prop- Stücken der letzten 15 Jahre ab, es ist »modern« und »neu«, ein politisches Lustspiel, so wichtig wie gut, daß es sicherlich in die Annalen großer südafrikanischer Theaterstücke als gelungene Inszenierung eines schwierigen gesellschaftlichen Umbruchs eingehen wird.

Ein ganz anderes Frauenstück wird in einigen Tagen in Berlin seine Uraufführung haben. Es ist dem Workshop-/Protesttheater verpflichtet, das seit den Soweto-Aufständen 1976 wuchs. In dem Stück Two weeks in September von Fatima Dike fragen sich alleinstehende und alleinerziehende Frauen im Township Vosloorus, wie man die zerrüttelten Sozialstrukturen und den Teufelskreis der Gewalt durchbrechen kann. Dabei geht es auch um das Geschlechterverhältnis zwischen Schwarzen. Andrea Seibel

Curl up and Dye , Samstag/Sonntag 25./26. Mai; Two Weeks in September , Mittwoch/Donnerstag 29./30. Mai, beide jeweils 20 Uhr im Haus der Kulturen der Welt, neue Kongreßhalle, John-Foster-Dulles-Allee 10.

Am Dienstag, dem 28. Mai, wird es im Café Global, gleicher Ort, 20 Uhr, zudem eine Diskussion mit Autoren, Regisseuren und Schauspielern geben. Lesen wird auch der südafrikanische Journalist Rian Malan aus seinem Buch Mein Verräterherz , das die Gewalt in Südafrika zum Thema hat.

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