Schwarzes Rollback in der Innenbehörde — Teil 2

■ In Heckelmanns Behörde läuft eine Personalrochade nach Parteibuch/ Auf alle wichtigen Posten sollen skandalerprobte Figuren gehievt werden/ Wieder kasernierte Bereitschaftspolizei geplant/ Neue Erkenntnisse im VS-Skandal: Stasi entwickelte für den Verfassungsschutz ein Fahndungskonzept

Im gestern veröffentlichten Teil unseres Hintergrundkrimis berichteten wir, wie die CDU-Betonfraktion im Berliner Verfassungsschutz und im Rathaus Schöneberg seinerzeit gegen die rot-grüne Koalition unter Walter Momper konspiriert haben soll. Den CDU- Rechten galt die rot-grüne Regierung als »Sicherheitsrisiko«, gegen die man offenbar mit allen Mitteln Front machen mußte. Mit von der Partie war allerdings immer das Ministerium für Staatssicherheit (MfS), das die Telefongespräche der Konspirateure mitschnitt und die nun peu a peu auf den Tisch der Innenverwaltung kommen. Streit gibt es in der schwarz-roten Koalition gegenwärtig aber nicht nur deshalb. Verärgert sind die Sozis vor allem auch wegen der Personalpolitik von Innensenator Heckelmann: Obwohl Heckelmann bei seinem Amtsantritt im März noch verkündet hatte, ein Ablösen von hohen Beamten mit SPD-Parteibuch werde es nicht geben, zeigt seine jetzige Planung das genaue Gegenteil. Auf alle wichtigen Posten in der Innenverwaltung plant der Professor alte Bekannte aus skandalumwitterten Tagen zu plazieren. Nachdem wir uns gestern last but not least einem alten Bekannten, dem Ex-Staatsanwalt Hans-Jürgen Przytarski, gewidmet haben, setzen wir unseren Krimi heute fort.

Mit Przytarski hätte Heckelmann bereits eine der insgesamt fünf Abteilungen in der Innenbehörde in alter Tradition besetzt. Doch auch an der Spitze der übrigen vier Abteilungen wird es Stühlerücken geben. Willkommenerweise gehen zwei Abteilungsleiter, nämlich der Abteilung I und II, eh in den Ruhestand und räumen ihre Sessel für Heckelmanns und Wienholds Wunschkandidaten. Ärger aber gibt es noch um die zwei Leiter der Abteilungen AV (Allgemeine Verwaltung) und III (Polizeiangelegenheiten), den Senatsrat Alfred Fenske (47) und den Leitenden Senatsrat Harald Bode (55), die noch weit vom Ruhestand entfernt sind und zudem ein SPD-Parteibuch haben. Zwar hatte Innensenator Heckelmann kurz nach seinem Amtsantritt noch vollmundig versprochen, daß es ein Schassen von SPD- und ÖTV-Mitgliedern nicht geben werde, aber es gleichwohl sein könnte, daß auf dem Wege der Umstrukturierung einige doch versetzt werden könnten. In der Koalitionsrunde wurde er dann allerdings weitaus konkreter: Da forderte Heckelmann dann schon präzise die Ablösung von Leitenden Beamten, so auch die von Abteilungsleiter Fenske. Notfalls geschehe dies auch auf dem Beförderungswege. Für Fenskes Posten habe der Innensenator nämlich bereits eine Nachfolgerin, die CDU-Frau Christa Weniger- Schäfer aus der Senatsjugendverwaltung, ins Auge gefaßt, weiß man in CDU-Kreisen.

Wenn auch Fenske noch nicht »weg« ist, so hat Heckelmann doch immerhin schon auf der übergeordneten Ebene der Staatssekretäre Klarschiff gemacht. Als sogenannten »Westimport«, der angeblich mit den Westberliner Seilschaften nichts zu tun habe, holte sich Heckelmann seinen ehemaligen Doktoranden aus FU-Zeiten, Dr. Armin Jäger. Ganze zwei Monate hatte Dr. Jäger Berlin den Rücken gekehrt und war tätig im hessischen Umweltamt, bis er nach Berlin reimportiert wurde. Nun ist er zuständig für die Polizei und den Berliner Verfassungsschutz.

Alte Bekannte auf Schlüsselposten

Als weiterer frischgebackener Staatssekretär im Amte fungiert ein aus skandalträchtigen Zeiten bekannter Mann: Eike Lancelle, der bereits unter den CDU-Senatoren Heinrich Lummer und Wilhelm Kewenig den Posten des Personalchefs für den Verfassungsschutz inne hatte. Innensenator Pätzold, Kewenigs Nachfolger, hatte Lancelle zu Zeiten des rot-grünen Senats auf einen weniger einflußreichen Posten versetzt. Im Zuge der Umstrukturierung der Innenbehörde plant Heckelmann zudem die Wiedereinrichtung der Abteilung IV in der Innenbehörde. Diese Abteilung soll für die Aufsicht über den Verfassungsschutz zuständig sein. Als Leiter für diese Abteilung ist der derzeitige Verfassungsschutz-Vize und ehemalige Politische Staatsanwalt und Przytarski-Intimus, Klaus Müller (CDU), vorgesehen. In das Amt des Verfassungsschutz-Vize soll dann jener Reimar Osswald nachrücken, der unter Innensenator Heinrich Lummer seinerzeit die umfassende Bespitzelung und Unterwanderung der Alternativen Liste West-Berlins in die Wege geleitet hatte und später die Intrige gegen den rot-grünen Senat mit gesponsert haben soll. Ins Gerede war der Mann in Fachkreisen auch durch seine eigentümlichen Methoden zur Bespitzelung vermeintlicher oder tatsächlicher Staatsfeinde gekommen. So war er in Berlin, als stellvertretender Chef der Spionageabwehr, jahrelang heftiger und nahezu alleiniger Verfechter der von den Spionageexperten Kuron (BfV) und Armbrust (LfV-Niedersachsen) entwickelten »Methodischen Reiseweg-Suchmaßnahme«, das immerhin zehn hauptamtliche Dunkelmänner beschäftigte und Kosten in Millionenhöhe verursachte.

Außer Spesen nix gewesen

Allerdings war jene »Reiseweg- Suchmaßnahme« für den Verfassungsschutz spätestens da völlig wertlos geworden, als der MfS- Agent Hans-Joachim Tiedge, der im Kölner Bundesamt spioniert hatte, 1985 in die DDR geflohen war und damit klar war, daß das Konzept der Gegenseite bekannt war. Heute, nach der Enttarnung auch Kurons und Armbrusts als hochrangige MfS- Agenten, muß nachträglich sogar davon ausgegangen werden, daß die Maßnahmen von Anbeginn komplett von der Stasi gesteuert, wenn nicht gar entwickelt worden waren. Nach dem Überlaufen Tiedges wurden die »Reiseweg-Suchmaßnahmen«, die zu keinem Zeitpunkt auch nur die geringsten Erfolge erzielt hatten, denn auch von allen Verfassungsschutzämtern endgültig verworfen. Das aber hielt Osswald nicht davon ab, weitere Steuergelder für seine völlig ineffiziente Methode zu verschleudern. Erst der seinerzeitige LfV- Chef und heutige Polizeivizepräsident Dieter Schenk und Innensenator Pätzold setzten diesem Unfug 1989 ein Ende.

In Osswald sieht der Spiritus rector der erzkonservativen Seilschaften, Klaus-Hermann Wienhold, schon den neuen VS-Präsidenten. Dazu, so ist zu hören, soll der derzeitige VS-Chef Heinz Annußek (61) schon in Bälde vorzeitig in den Ruhestand geschickt werden. Das allerdings wird nicht ohne Koalitionskrach über die Bühne gehen. In der SPD-Fraktion gibt es dem Vernehmen nach heftigen Widerstand dagegen, Reimar Osswald noch einmal auf einen hohen Posten im Verfassungsschutz zu hieven.

Koalitionsknatsch um Polizeiführer

Für noch mehr Unmut bei den Sozialdemokraten sorgt allerdings die von Wienhold und der CDU-Fraktion betriebene Ablösung des derzeitigen Polizeivizepräsidenten mit SPD- Parteibuch, Dieter Schenk. »Das geht mit uns hundertprozentig nicht«, stellte der Berliner SPD-Chef Walter Momper noch in den Koalitionsverhandlungen klar. Doch auch Mompers Wort ist für den Koalitionspartner CDU noch lange nicht das letzte. Denn gerade Schenk ist den Hardlinern in der CDU seit Jahren schon ein Dorn im Auge. So war es Schenk, der als Leiter der »Sonderkommission Lietzenburger Straße« (SoKo Lietze) Mitte der 80er Jahre im Berliner Bauspekulanten-Bestechungssumpf aufräumte und dabei etliche hochkarätige CDU-Politiker der Korruption überführte. In Polizeikreisen vermutet man, daß Schenk auf einen einflußlosen Verwaltungsposten weggelobt werden soll.

Auch mit einem anderen in Ungnade gefallenen hohen Polizeiführer hat man bereits Pläne. Schon fertig in der Schublade liegt ein neues polizeitaktisches Konzept, nach dem die CDU die seit Jahren abgeschaffte kasernierte Bereitschaftspolizei (BePo) wieder einführen will. Dafür sind im Bonner Nachtragshaushalt bereits fünfzehn Millionen fest eingeplant. Vorgesehen ist eine 400 Mann starke Einheit, die dann von dem jetzigen Landesschutz-Polizeidirektor Gottfried »Bobby« Heinze auf die Wiesen vor Berlin geführt werden soll.

Mit diesem konservativen Durchmarsch in allen Breichen der Innenbehörde bewahrheitet sich dann vielleicht schon bald wieder der berühmt-berüchtigte Kewenig-Satz: »Wir hadern mehrmals am Tage mit dem Rechtsstaat.« Hans Schulz