Richterin erklärt sich selbst für befangen

■ Antifa-Prozeß am ersten Verhandlungstag vertagt/ »Republikaner«-Chef Pagel erschien mit Bodyguard

Tiergarten. Die Richterin anerkannte zwei Anträge auf Befangenheit gegen ihre Prozeßführung und vertagte die Verhandlung auf einen unbekannten Termin: So endete gestern der erste Verhandlungstag im Amtsgericht Tiergarten gegen die beiden AntifaschistInnen Renate Dahlhaus und Michael Philippsen. Die beiden waren nach einer tätlichen Auseinandersetzung mit »Republikanern« im Januar 1989 wegen Körperverletzung und Widerstands angeklagt worden.

Hauptzeuge im Prozeß sollte der Berliner Parteivorsitzende der »Republikaner«, Carsten Pagel, sein. Als sich alle Augen im überfüllten Gerichtssaal auf die Zeugentür richteten, öffnete sich statt dessen die eigentlich Untersuchungshäftlingen vorbehaltene Tür und der »Republikaner«-Chef erschien in Begleitung von drei Leibwächtern. Richterin Müller begann, ohne weitere Nachfrage, Pagel und einen weiteren Zeugen über ihre Rechte und Pflichten aufzuklären.

Die Rechtsanwälte Rüdiger Jung und Jens Brückner waren ob dieses in keinerlei Akten vorgemerkten Vorgehens empört. »So etwas habe ich noch nie erlebt, noch nicht mal in den Terroristenprozessen«, äußerte Jung. Auch auf Fragen der Verteidiger wollte Richterin Müller keinerlei Angaben machen, wer diese außergewöhnliche Art des Personenschutzes angeordnet habe. Wer die Begleiter Pagels waren, wußte sie selbst nicht. Die Verteidigung beantragte daraufhin eine Unterbrechung des Prozesses, um gegen die Richterin Befangenheitsanträge zu stellen.

Der erste Befangenheitsantrag, den Dahlhaus-Verteidiger Brückner formulierte, gründete auf Beschränkung der Öffentlichkeit. Trotz starken BesucherInnenandrangs hatte sich die Richterin geweigert, die Verhandlung in einen größeren Saal zu verlegen. Der zweite Antrag bezog sich auf ihre Weigerung, sich zu dem Personenschutz zu äußern. Staatsanwalt Kaffanke bezeichnete beide Anträge als nicht statthaft, Richterin Müller aber erklärte sie für zulässig. Ein anderes Gericht wird sich nun zu einem noch unbekannten Termin mit dem Verfahren zu beschäftigen haben. cor