Den schwarzen Peter haben die Ministerpräsidenten

Weimarer Medienforum diskutierte die Zukunft von DS-Kultur  ■ Von Karl-Heinz Stamm

Da die Ministerpräsidenten der Bundesländer demnächst über die Modalitäten eines nationalen Hörfunks entscheiden, ist es nur allzu verständlich, wenn alle, die davon unmittelbar betroffen sind, noch einmal kräftig Position beziehen. Nachdem der Deutschlandfunk und der Rias vermittels diverser Pressekonferenzen und einer Vielzahl von Publikationen bereits in die Offensive gegangen waren, erinnerte jetzt der Dritte im Bunde, der Deutschlandsender Kultur, an die Qualität seines Programmes. Unter dem Motto Europäisch — Klassisch — Kontrovers hatte die Deutsche Gesellschaft zusammen mit dem Deutschen Kulturrat und dem Kuratorium zur Förderung des Deutschlandsenders Kultur zu einem Medienforum nach Weimar geladen.

Gleichsam so, als wolle man den hehren Anspruch des Klassiksenders auch noch politisch aufladen, hatte man nicht nur den Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher dazu gewonnen, die Schirmherrschaft zu übernehmen, auch Rita Süssmuth, die Bundestagspräsidentin, Wolfgang Thierse, der stellvertretende Vorsitzende der SPD und Bischof Gottfried Forck trugen zu einer Inflation an Grußbotschaften bei. In dem Maße aber, in dem ein Teil der eingeladenen Diskutanten in fast schon peinlich anmutender Manier für den Erhalt dieses Senders ohne Abstriche votierten („Ich bin für den Erhalt von DS-Kultur, weil...“), geriet das Ganze streckenweise zu einer veritablen PR-Veranstaltung.

Dabei hätte der Sender aus dem Osten einen solch platten Lobbyismus gar nicht nötig gehabt, waren sich doch alle Anwesenden darüber einig, daß dieses Programm (in welcher Form auch immer) bestand haben müßte. Vor allem die dritte Diskussionsrunde, die sich aus Personen des kulturellen Bereiches zusammensetzte, machte noch einmal — jenseits aller Tagesaktualität — auf die Wichtigkeit eines solchen Senders aufmerksam. Den Stellenwert der DDR-Kultur hatte bereits eingangs der Vorsitzende des Deutschen Kulturrates Rolf Zitzlsperger umrissen: Die Kultur war doch der Bereich, in dem wir alle überlebt haben und der kommunikative Aufwand, der hier betrieben wurde, ist doch nicht folgenlos geblieben.

Kulturelle Milieus dürfen nicht zerschlagen werden

„Diese Tradition darf nicht weggeworfen werden.“ Er hatte damit einen zentralen Gedanken aufgegriffen, den auch Jürgen Habermas in einem gerade veröffentlichten Interview angesprochen hat. Die „administrative Abwicklung“ kultureller Institutionen hält Habermas im Endeffekt für bedenklicher, als die Zerstörung von Produktionskapazitäten. Diese lassen sich unter anderen Bedingungen ersetzen. Zerfallene kulturelle Milieus aber, sind nicht in gleicher Weise wieder aufzubauen. „Wenn sie ruiniert sind, sind sie es ein für alle Mal.“

Bei aller Sympathie für ein Kulturprogramm, aber all die bei dieser Veranstaltung vorgebrachten Erwartungen wird es schwerlich erfüllen können. Denn dieser Sender soll nicht nur die „Kultur des Dialogs“ fördern und einen „Trainingsplatz des Streites“ bieten, er soll ebenfalls gefährdete Genres fördern und auch noch ein Schutzwall „gegen den alleinigen Import von Westkultur“ sein. Er soll gegen das Vergessen und gegen die Verdrängung ansenden, Feindbilder überwinden, aber auch eine „Stimme der Nation“ sowie ein „Instrument der Aufklärung“ sein. Schließlich war da von einem „Hoffnungsanker“ die Rede, von einem „Gedächtnis des Gemeinsamen“ oder einem „Radio-Goethe- Institut“.

Frappierend war aber, daß all diese Ansprüche seitens der Referenten fast ausschließlich an die Adresse des ohnehin allgegenwärtigen bösen „Wessis“ gerichtete waren. Dabei sind es aber gerade die eigenen Landsleute des Ostsenders und die neuen Landespolitiker, die von der Notwendigkeit eines solchen Kanals überzeugt werden müssen. Denn deren Vorbehalte gegen die „roten Socken“ aus der Nalepastraße, dem Sitz des Berliner Rundfunks, und allem was nach Berliner Staatsrundfunk riecht, scheinen unerschütterlich zu sein. Bezeichnenderweise hatte eine erste Geprächsrunde der sechs neuen Ministerpräsidenten Ende letzten Jahres zwar den Deutschlandfunk und den Rias als Bestandteile eines nationalen Hörfunks benannt, ihren eigenen Anwärter, den Sender DS- Kultur, aber „vergessen“. Und bezeichnenderweise saß ja auch ein Westimport, der Kultusminister Hinrich Enderlein aus Brandenburg, auf dem Podium. Er leitete die Diskussionsrunde („Medienpolitische Probleme eines nationalen Hörfunks“) nicht nur mit Bravour und Professionalität, sondern forderte auch, mit dem Verweiß auf die Grenzen des Föderalismus, ganz offensiv eine zweite bundesweite Hörfunkfrequenz für das beschlossene nationale Hörfunkprogramm. Was für einen Landespolitiker schon außergewöhnlich ist, gelten Rundfunkfrequenzen — Rundfunkpolitik fällt bekanntlicherweise in die Hoheit der Länder — doch als „das Kostbarste“ (Drück) was Ministerpräsidenten zu vergeben haben. Eine Vielzahl landesweiter Hörfunkprogramme sind vermeindlich der Garant für Macht und Einfluß.

Die Runde der Hörfunkbetreiber (angeführt von Edmund Gruber, Intendant des Deutschlandfunks, Helmut Drück, Intendant des Rias, für DS-Kultur Rudolf Mühlfenzl, der Rundfunkbeauftragte der fünf neuen Länder, plus Hörfunkchef Christoph Singelnstein, sowie die DS-Kultur Chefredakteurin Monika Künzl) brachte nichts Neues. Wie sollte sie auch? Die Vorstellungen und Maximalpositionen zu einem bundesweiten Rundfunk sind in ihrer Gegensätzlichkeit seit langem bekannt (siehe taz vom 3.5.), und wer jetzt eine Enscheidung fällen muß, das sind die Politiker. Und so plädierte Gruber abermals für einen Informations- und Kulturprogramm und der Rias-Chef machte darauf aufmerksam, daß der nationale Hörfunk ein Integrationsrundfunk sein solle, und da verbiete sich nun einmal ein elitäres Kulturprogramm. Bei dem im Oberlichsaal des einstmaligen Bauhauses, heute Hochschule für Architektur und Bauwesen, versammelten Auditorium konnte er damit aber keinen Blumentopf gewinnen. Auch der

Integrationsfunk und elitäres Kulturprogramm, ein Widerspruch

Rundfunkbeauftragte Rudolf Mühlfenzl befürwortet das Vorhaben. „Gerade jetzt ist bundesweiter Hörfunk unverzichtbar.“ DS-Kultur mit Rias und Deutschlandfunk zu vereinen, ist eine hochinteressante Mischung, von der ich mir wünsche, daß sie zum Tragen kommt.“

Das war einer Dame aus dem Punblikum aber dann doch zu wenig, sie fragte unverblümt: Was wird denn nun aus DS-Kultur? Wenn es heißt, es soll einen nationalen Hörfunk unter „Einbeziehung des Programms von DS-Kultur“ geben, heißt das denn, daß 20 Leute zum Rias und 20 zum Deutschlandfunk kommen? Die Frage, so berechtigt sie auch war, blieb unbeantwortet im Raume stehen. Den schwarzen Peter haben nämlich jetzt die Ministerpräsidenten. Eine Kommission aus Vertretern von Nordrhein-Westfalen, Berlin, Hamburg, Sachsen-Anhalt, Bayern und Schleswig-Holstein soll bis zur nächsten Konferenz der Länderchefs am 5. Juli einen Vorschlag zur Neuordnung erarbeiten, wobei es auch um den künftigen Sitz der Anstalt gehen soll.

Egal wie die Entscheidung aussieht, ohne Abstriche wird das Rechenexempel „aus vier Programmen mach eins“ nicht abgehen. Denn, darauf hatte Peter Merseburger hingewiesen: „Wenn man Kulturrundfunk machen will, dann kostet das viel Geld.“ Und da dieses ja bekanntlich nicht vorhanden ist, wird der Rotstift angesetzt. Man kann gespannt sein, ob die Überzeugungsarbeit der Veranstaltung Früchte trägt. Der Berliner Festspieldirektor Ulrich Eckardt hatte bereits an diesem Tag ein Gefühl das als böses Omen gedeutet werden kann: „Ich komme mir vor, als sollten wir hier als Ambiente für einen Abgesang dienen.“