Empörung und Sorge in Israel wegen US-Kritik

Schamir-Regierung versteht Baker-Äußerungen als Drohung mit dem Entzug von US-Wirtschaftshilfe/ Bush unterstützt Baker  ■ Aus Tel-Aviv Amos Wollin

Nachdem US-Außenminister Baker am Mittwoch Israels Siedlungspolitik in den besetzten Gebieten als Haupthindernis für den Friedensprozeß im Nahen Osten bezeichnet hatte, stellte sich George Bush am Donnerstag hinter ihn: „Minister Baker hat für diese Regierung gesprochen, und ich unterstütze nachdrücklich, was er gesagt hat“, erklärte er. Ein Stop der israelischen Siedlungspolitik wäre laut Bush ein wichtiger Beitrag zum Frieden.

In der israelischen Regierung mischt sich der Ärger über die amerikanische Kritik mit Sorge über die Zukunft der erneuten israelischen Hilfsforderungen. Die Schamir-Regierung hat in Washington um zehn Milliarden Dollar für die Integration jüdischer Einwanderer aus der UdSSR gebeten. Der israelische Finanzminister Modai sagte: „Es wird schwierig sein, um mehr amerikanische Hilfe zu bitten, wenn sich die Amerikaner über die Siedlungen aufregen. Die USA haben uns jahrelang geholfen, obwohl die Siedlungsarbeit lief, aber diesmal wollen sie uns offenbar wirtschaftlich bedrohen.“

Schon eine Verzögerung der amerikanischen Hilfe könnte angesichts der israelischen Schwierigkeiten mit der Unterbringung sowjetischer Einwanderer katastrophale Folgen haben. Führende Politiker der beiden Häuser des amerikanischen Kongresses sollen ein Abkommen mit der Bush-Regierung getroffen haben, daß über zusätzlich Hilfen für Israel erst nach dem 3. September entschieden wird, damit Außenminister Baker einstweilen Zeit hat, seine Nahost-Initiative zu realisieren. Einigen israelischen Berichten zufolge soll sich Baker in etwa drei Wochen auf eine neue „Shuttle-Tour“ durch den Nahen Osten begeben. US-Verteidigungsminister Cheney wird am 29.Mai in Jerusalem erwartet, zwei Tage später in Kairo.

Trotz aller finanziellen Sorgen gibt sich die israelische Regierung kompromißlos. Wohnungsbauminister Sharon zeigte sich von Bakers Kritik geschockt: „Ich hatte erwartet, Baker würde erklären, die Haupthindernisse zum Frieden seien die syrische Annexion Libanons, das Massaker an den Kurden oder das Wiedererstarken Saddam Husseins, aber nichts dergleichen hat er gesagt. Das einzige Hindernis sind nach Bakers Darstellung die jüdischen Siedlungen.“

Jossi Olmert, Pressechef der israelischen Regierung, sagte, daß neue „Wohnwagensiedlungen“, wie sie während der Baker-Rundreisen in der Westbank errichtet wurden, keine echten Probleme darstellten, die tatsächlichen Hindernisse für den Frieden seien die fortdauernde arabische Kriegsführung, der arabische Wirtschaftsboykott und besonders der neue Raubzug Syriens im Libanon, der Syrien als Aggressor demaskiere. „Die Besiedlung wird nicht gestoppt. Juden haben ein Recht zu leben, wo es ihnen gefällt!“ erklärte Regierungssprecher Olmert und bekräftigte, daß in einer zukünftigen Nahostkonferenz der UNO keine Rolle zukommen dürfe.

Der israelische Oppositionsführer Shimon Peres erklärte, die Siedlungsaktivitäten sollten eingefroren werden, solange die Nahost-Friedensverhandlungen andauern. In Tel-Aviv wurde vor zwei Tagen der Beginn einer öffentlichen „Peace Now“-Kampagne für eine Beendigung der Siedlungspolitik angekündigt. Zvi Gilat, Kommentator der Zeitung 'Hadashot‘, betonte, daß Baker zum ersten Mal direkt und ausschließlich Israel für den Stillstand im Friedensprozeß verantwortlich mache. Jetzt sei der Tag nahe, an dem „Israel klar gesagt bekommt, daß das Siedlungsprogramm eingefroren werden muß. Das heißt, daß wir uns dem Punkt nähern, an dem entweder der Friedenprozeß oder die Regierung oder beides zerbricht. Der Entenjäger Baker hat schon lange auf die Siedlungen gezielt, jetzt hat er seinen Finger am Abzug.“

Der UN-Sicherheitsrat nahm am Donnerstag Beratungen über die letzten Ausweisungen von Palästinensern durch Israel auf. Trotz der Proteste des UNO-Generalsekretärs hatte Israel am 18.Mai vier Palästinenser in den Libanon abgeschoben. Israel droht nun wegen dieser Aktion eine erneute Verurteilung durch die Vereinten Nationen.