Klärungsstelle für Zwangsadoptierte

■ Nach den Aktenfunden über Kindsentzug in der DDR melden sich betroffene Eltern und Kinder

Berlin (taz) — Auch eineinhalb Jahre nach dem Mauerfall ist ein Tabu der DDR offenbar ein Tabu geblieben: die Tatsache, daß über Jahre hinweg Kinder von „Republikflüchtlingen“ oder politischen Straftätern in Heime zwangseingewiesen und zur Adoption freigegeben wurden — zum Teil auch unter falschem Namen.

Erst nachdem Anfang der Woche Aktenfunde im Berliner Bezirksamt dieses staatlich verordnete „kidnapping“ anhand von konkreten Fällen an die Öffentlichkeit brachten, sorgte das Thema für Aufsehen. Bis vorgestern waren zum Beispiel dem Berliner Jugendsenat keine konkreten Fälle von betroffenen Eltern und Kindern bekannt. Nachdem jedoch die Aktenfunde im Berliner Bezirksamt durch die Presse gingen, haben sich nun mehrere Ratsuchende bei einer extra dafür eingerichteten Klärungsstelle des Jugendsenats gemeldet. In dieser Stelle, die auf Anregung der Berliner Behörden auch in den anderen Bundesländern eingerichtet werden sollte, können betroffene Eltern und Kinder sich Rat holen auf der Suche nach den Akten, die einst ihr Schicksal festgeschrieben haben. Dort will man den Betroffenen auch juristische Unterstützung geben, wollen sie bei den Vormundschaftsgerichten den Entzug des Sorgerechts oder die Adoption rückgängig machen. Nur bis zum 2. Oktober können solche Anträge noch gestellt werden, dann ist die dafür im Einigungsvertrag vorgesehene Frist abgelaufen.

Im Bundesjustizministerium rechnet man jedoch nicht mit einer Flut von solchen Anträgen. Daß es solche Zwangsadoptionen aus politischen Gründen gegeben hat, sei den bundesdeutschen Ministerien schon seit Anfang der 70er Jahre bekannt gewesen. Wie groß die Zahl der Betroffenen ist, darüber kann man jedoch auch hier nur spekulieren. Die tatsächlichen Fälle seien vielleicht nicht so zahlreich gewesen, der Sorgerechtsentzug und die drohende Adoption der Kinder seien vor allem als Druckmittel gegen die Eltern benutzt worden. Weil man um das Problem wußte, sei im Einigungsvertrag auch extra die Ausnahmeklausel aufgenommen worden, daß innerhalb von Jahresfrist Anträge auf Aufhebung solcher Zwangsadoptionen gestellt werden könnten.

Vorrang, so betonten gestern einhellig Justiz- und Jugendministerium, müsse bei solchen Entscheidungen aber das Wohl des Kindes haben. Schließlich könne man nicht vergangenes Unrecht durch neues wiedergutmachen und Kinder aus Familien herausreißen, in denen sie sich längst heimisch fühlten. Ve.