Bundeswehr schließt 213 Standorte

■ Weitestreichende Strukturreform seit Gründung der Bundeswehr/ Verärgerung über Stoltenbergs Geheimniskrämerei/ Veränderungen sollen 1993 und 1994 vorgenommen werden

Bonn/Nürnberg (dpa/taz) — Bundesverteidigungsminister Gerhard Stoltenberg (CDU) hat für die strukturschwachen Regionen, aus denen die Bundeswehr abzieht, wirtschaftliche Hilfen angekündigt.

Entsprechende Konzepte dafür würden vom Wirtschafts- und vom Arbeitsminister vorbereitet, erklärte Stoltenberg am Freitag bei der Vorlage seiner Stationierungsplanung. Danach werden von den 688 Standorten der deutschen Streitkräfte in den alten Bundesländern 213 völlig aufgelöst. In den neuen Ländern wird es 142 Standorte geben. Die geplanten Veränderungen sollen im wesentlichen 1993 und 1994 vorgenommen werden.

Es geht nach Darstellung von Stoltenberg um die weitestreichende Strukturreform der Bundeswehr seit ihrer Gründung. Die Reform geschieht vor dem Hintergrund der Verringerung der Streitkräfte von rund 500.000 auf 370.000 Mann. Darauf hatten sich Bundeskanzler Helmut Kohl und der sowjetische Präsident Michail Gorbatschow im Juli 1990 bei den Gesprächen über die Vereinigung Deutschlands geeinigt. Der Minister erläuterte, die Truppenverbände sollen weitgehend aus den Ballungsgebieten herausgezogen werden. Die Einheiten würden stärker in Flächenregionen stationiert. Der Abzugsplan der verbündeten Streitkräfte sei berücksichtigt worden.

In Schleswig-Holstein werden 22 Standorte, in Niedersachsen 39, in Nordrhein-Westfalen 33, in Rheinland-Pfalz 30, in Hessen 18, in Baden-Württemberg 40, in Bayern 31 und im Saarland nur St. Ingbert geschlossen. Stoltenberg sagte vor der Presse, durch die Schließungen werde es in den nächsten drei bis vier Jahren erhebliche finanzielle Entlastungen für den Verteidigungshaushalt geben.

Das Konzept von Stoltenberg hat unterdessen in mehreren Bundesländern Kritik und Bestürzung ausgelöst. Dem Minister wurde vorgehalten, nicht genügend für die Strukturprobleme der Länder sensibilisiert zu sein. Auch wurde ihm schlechte Informationspolitik vorgehalten. Bundesbauministerin Irmgard Adam-Schwaetzer (FDP) warf Stoltenberg vor, sich nicht mit den beteiligten Bundesressorts abgestimmt zu haben. Seine Pläne müßten unter Raumordnungs- und städtebaulichen Gesichtspunkten überprüft werden.

Der niedersächsische Innenminister Gerhard Glogowski (SPD) kündigte an, in Verhandlungen mit dem Verteidigungsministerium weitere Standorte zu erhalten. Auch Reduzierungen will Glogowski in einigen Fällen „nicht in diesem Maß“ hinnehmen. Insbesondere gehe es um den Erhalt der Standorte Hannoversch-Münden und Wilhelmshaven.

In Wilhelmshaven sollen rund ein Drittel der 6.000 Stellen abgebaut werden. Sollte demnächst auch der Büromaschinenhersteller Olympia mit seinen 2.700 Beschäftigten schließen, droht nach Aussage von Oberstadtdirektor Arno Schreiber der finanzielle und wirtschaftliche Kollaps.

Der Nürnberger SPD-Bürgermeister Willy Prölß, Stellvertreter des Oberbürgermeisters, erklärte gegenüber der taz, daß die Stadt den Verlust an Arbeitsplätzen leichter auffangen könne als strukturschwache Regionen. So habe der Stadtrat bereits am 8. Mai einstimmig die Entscheidung der Bundeswehr begrüßt, das Transportbataillon abzuziehen. Für die Stadt sei es jedoch von „ganz großer Wichtigkeit“, daß die Grundstücke „so rasch als möglich“ vom Bund für Wohnbebauung oder gewerbliche Nutzung zur Verfügung gestellt würden. Im Gegensatz zu Nürnberg hält die von der Reduzierung der Bundeswehr betroffene Stadt Bamberg eine offizielle Stellungnahme zu den Plänen von Verteidigungsminister Stoltenberg für verfrüht. In der oberfränkischen Stadt will man erst die amtliche Benachrichtigung der Stadt abwarten.