Ach, da ist ja der Hans!

■ Neue taz-Reihe: Die Sammler der Weserburg (1) / Hans Grothe, Großinvestor: „Mein Glück, wenn ich den Künstler duzen kann“

Der Kienholz-Sammler Onnasch in Berlin war der erste, der sich für die Idee eines Sammler-Museums in Bremen begeistern ließ und Leihgaben zusagte. Inzwischen sind elf Sammler, davon einige anonym, gewonnen worden. Zehn-Jahres-Verträge sichern dem Neuen Museum Weserburg Beständigkeit, aber langfristig auch Raum für Veränderungen.

Einer der Sammler, der als Großinvestor bekannte Hans Grothe (früher Duisburg, jetzt Bremen), steuert Skulpturen, Bilder und Werkreihen von Abraham David Christian, Hanne Darboven, Imi Knoebel, Gerhard Richter, Ulrich Rückriem, Palermo, Sigmar Polke und — schwerpunktmäßig — Joseph Beuys bei.

Unser Gespräch mit Hans Grothe eröffnet eine neue taz-Serie. Bis zur Eröffnung des Neuen Museums Weserburg im September werden wir in lockerer Folge die wichtigsten der darin vertretenen Sammler portraitieren.

taz: Was muß dran sein an einem Bild, daß Sie es kaufen?

Hans Grothe: In der Musik gibt es Komponisten und es gibt solche, die ihre Instrumente sehr gut spielen können. Nun ist die Frage, welcher ist größer? Für mich ist der Komponist der Größere. Ich habe immer vor einem Bild gestanden und mich gefragt, ist das eine neue Schöpfung oder nicht? Und habe danach dann gekauft. Und habe so auch eine verhältnismäßig hohe Trefferquote gehabt.

Sie suchen also die Auseinandersetzung nicht nur mit dem Kunstwerk, sondern auch mit dem Menschen, der dahintersteht?

Ja,ich muß den Künstler absolut kennenlernen, und es macht mich glücklich, wenn ich ihn duzen kann, das gibt eine andere Gesprächsbasis. Sie ist nicht so intellektuell, sie ist einfacher, und in diesem Einfachen kann ich mich besser mitteilen, kann aber auch besser empfangen.

Sollte nicht auch ein Museum eine

Hans Grothe: „Natürlich umgibt mich meine Sammlung mit einem gewissen Flair!“Foto: Jörg Oberheide

„einfache Gesprächsbasis“ zwischen Publikum und Kunst herstellen?

Ja. Das ist auch meine Idee vom Museum der Räume. Daß z.B. ein Lehrer mit seinen Schülern in einen Raum gehen kann, vorher einen Film sehen kann und dann die

„Nach dem 13. Probedruck hat Baselitz sich endlich entschlossen. Da habe ich die 13 Probedrucke gekauft, die beiden Prägestöcke und das Endprodukt.“

Bilder erklärt oder sich erklären läßt, und dann anschließend in die Kneipe geht, die das Museum haben muß, und gleich an Ort und Stelle die Dinge diskutiert und womöglich nochmal in den Raum geht und sich die Bilder ansieht.

In Bremerhaven haben Sie bald ein eigenes Museum. Ein Denkmal zu Lebzeiten?

Nein, ach nein. Das gehört aber

hierhin bitte das

Foto von dem alten

Mann unter Glaskugeln

alles mit dazu. Woraus besteht ein Sammler? Mindestens auch zu 50 Prozent aus Angabe. Sich davon freizusprechen, ist absoluter Quatsch. Natürlich bin ich stolz auf meine Sammlung, natürlich umgibt sie mich mit einem gewissen Flair.

Sammeln Sie losgelöst vom Kunsttrend, oder haben Sie eine evtl. Wertsteigerung im Hinterkopf?

Nein, also das muß ich Ihnen sagen, als ich die Bilder gekauft habe, da wußte keiner, daß Polke und Beuys diese Wertsteigerung erfahren werden. Nur wußte ich, daß Beuys Kunstgeschichte macht, daß er irgendwas erneuert und daß er Komponist ist und daß er einer der Komponisten ist, die nicht auf einem alten Gleis fahren, sondern eine 20-Ton-Musik machen, oder auch Halbtonmusik. Ich wußte, er macht etwas ganz anderes. Ich muß sagen, schön im im ästhetischen Sinn finde ich ihn heute immer noch nicht, trotzdem weiß ich, auch im Inneren bei mir, daß das ganz

große Kunst ist.

Die leicht zugänglichen Bilder wären demnach nicht die Ihren?

Ich kann Ihnen sagen, als letzten Künstler habe ich Graubner gekauft, weil ich alle anderen schon so hatte. Das ist etwas, das schön gemalt ist. Vom Malen her ist der Mann bestimmt einer der besten Geigenspieler. Ich kenne auch die Anfangsbilder und weiß, daß er sich mit Rothko auseinandergesetzt hat, da hab ich natürlich auch sofort gewußt, daß Rothko Primero ist. Nichts gegen Graubner, ich schätze ihn sehr.

Wie lange befassen Sie sich schon mit Sammeln?

Seit über 40Jahren. Ich hatte zunächst eine Expressionisten- Sammlung, die sich sehr gut sehen lassen konnte. Das waren rund 150 Bilder, die ich zusammengetragen habe. Von der habe ich mich dann total getrennt und habe 1970 begonnen, Gegenwartskunst zu sammeln.

Und warum? Erschien Ihnen die Gegenwart spannender?

Das sind wieder mehrere Dinge. Da ist einmal die Clique, ich hatte das Glück, in den Ratinger Hof Zugang zu finden. Im Ratinger Hof trafen sich Blinky Palermo, Imi Knoebel, Rückriem, Beuys ganz wenig. Die haben dort zusammen gesoffen und Spektakel gemacht, und ich bin so mit ihnen zusammengekommen. Als sie noch nicht berühmt waren, haben sie über ihre Gedanken wahnsinnig diskutiert. Heute, wo sie groß sind, sind sie zerstreut und haben keine Lust mehr zu diskutieren.

Sie sammeln mit Konzept?

Mit Konzept. So wie ich nur deutsche Künstler gesammelt habe und versucht habe, da richtig zu sammeln, so würde ich auch weiter sammeln. Ich würde heute z.B. nicht mehr hingehen und amerikanische Künstler sammeln, a) könnte ich sie nicht bezahlen, und b) gibt es ja genügend Sammlungen davon. Es ist natürlich schon mein Stolz, nicht nur, daß ich die Bilder habe, sondern daß ich z. B. 30 Polke habe, das hat eben keiner. Und ich habe sie gekauft, als man noch einen Blick dafür haben mußte. Das befriedigt mich mehr, als heute einen Oldenburg zu haben. Und dann ist ja noch ein Tick draufgelegt, wenn Sie von einem Künstler eine ganze Serie kaufen. Denn wenn eine Serie einmal auseinandergerissen ist, ist es ungeheuer schwer, sie wieder zusammenzubekommen.

An einer Serie können Sie wohl auch einen Schaffensprozeß ablesen. Vielleicht indirekt auch ein wenig dran teilnehmen?

Ja, ich habe eine solche Serie von Baselitz. Es sind sehr große Holzdrucke, und davon habe ich die gesamten Probedrucke. Daran sehen Sie das Entstehen des Endproduktes. Es fängt mit einem Vogel an, dann werden es fünf Vögel oder 20 Vögel. Er hat immer wieder Probedrucke davon gemacht, und nach dem 13. Probedruck hat er sich endlich entschlossen. Und da habe ich die 13 Probedrucke gekauft, die beiden Prägestöcke und das Endprodukt.

Aber Sigmar Polke ist ein bißchen ihr Favorit?

Ja,ja.

Hat es auch eine geistige Verbindung?

Ja, der Mann ist so, wie ich auch als Künstler wäre. Dann habe ich so zehn Arbeiten von Rückriem.

Sie sind mit vielen Künstlern befreundet.

Ja, mit vielen Künstlern bin ich sehr gut befreundet, und wir sind auch per Du, natürlich nicht mit allen Künstlern, aber es ist so, daß

„Ja, der Polke ist so, wie ich als Künstler auch wäre.“

ich mich mit allen Künstlern treffe und nicht nur auf Vernissagen, sondern daß es wirklich ein abgesprochenes Treffen ist.

Es scheint, daß die geistige Haltung der Künstler Sie schon sehr beeindruckt.

Das war wirklich der Auslöser, ich habe sie nach ihrer geistigen Haltung mitgekauft.

Und jetzt empfinden Sie das Vergnügen des Besitzers?

Ich will das mal so erklären: Für eine einfache Fotografie, auf der Sie nicht selbst sind, brauchen Sie drei Sekunden. Aber eine Fotografie, auf der Sie sind, und die dann alt ist, wo Sie dann gucken, und wo Sie dann sagen „wer ist das denn dahinten“, und Sie sagen „ach, das ist ja der Hermann“, und dann fällt Ihnen gleich etwas dazu ein: Mit dieser Fotografie können Sie sich natürlich viel länger beschäftigen. Die wird Ihnen plötzlich viel wertvoller als irgendeine neue Fotografie. Weil für Sie nämlich Erinnerungen das Bild wieder aufleuchten lassen. Das ist die Brücke: einen Künstler kennenzulernen und ein Bild zu haben. Das macht den ganzen Garten viel schöner. Fragen: Christine Breyhan