Müssen Ostbezirke ihr Geld wieder hergeben?

■ Neue Spardebatte, weil Bonn das 2,3-Milliarden-Loch nicht stopfen will/ SPD: Stellenpläne der Ostbezirke unter die Lupe nehmen

Rathaus Schöneberg. Keine drei Wochen nachdem Finanzsenator Elmar Pieroth (CDU) seinen Nachtragshaushalt vorgelegt hat, ist der 3.500 Seiten umfassende Finanzplan zu großen Teilen schon wieder Altpapier. Nachdem die Bonner Koalition letzte Woche endgültig entschieden hat, die von Pieroth geforderten zusätzlichen 2,3 Milliarden Mark nicht zu überweisen, suchen die Experten in der Senatsfinanzverwaltung nun fieberhaft nach anderen Möglichkeiten, das Loch zu stopfen. Obwohl der Senat schon eine Rekordverschuldung in Höhe von 3,9 Milliarden eingeplant hat, sehen die Finanzplaner keinen anderen Ausweg, als die Schuldensumme weiter zu erhöhen. Am 26. Juni, zur zweiten Lesung des Nachtragshaushalts im Parlament, wollen Pieroths Beamten konkrete Deckungsvorschläge machen.

Am Samstag berieten auch die Haushaltsexperten der SPD-Fraktion über Auswege aus der Finanzkrise. »Ich will mir den ganzen Stellenplan genau ansehen«, kündigte der finanzpolitische Sprecher der SPD, Horst-Achim Kern, nach den Beratungen an. Kern vermißt nicht nur die nötige »Transparenz« im Haushaltsplan, er hat auch Zweifel, ob im bisherigen Plan das Geld immer »an die richtige Stelle« geht. Er fürchtet, daß sich die mit Behördenangestellten ohnehin üppig ausgestattete Stadt neue und unnötige Lasten auflädt: Jede Stelle, die jetzt eingerichtet wird, muß auch im nächsten und den folgenden Jahren finanziert werden. Die Stadtbezirke im Ostteil der Stadt beispielsweise könnten nicht erwarten, daß sie von Anfang an im selben Umfang mit Personal ausgestattet würden, wie es im Westteil bisher üblich ist.

Tabus dürfe es dabei nicht geben, warnt Kern mit Blick auf die Absicht des Senats, den Polizeietat von Einsparungen auszunehmen. Freilich sei in Berlin nicht nur die Polizeidichte höher als in den anderen Stadtstaaten, sondern auch die Personalaustattung der Kindertagesstätten. Konflikte mit dem Koalitionspartner CDU erwartet der SPD-Politiker am ehesten beim Punkt Gewerbesteuer, die in Berlin bis heute konkurrenzlos niedrig ist. Trotz Protesten der Christdemokraten will Kern »auf jeden Fall« daran festhalten, die Gewerbesteuer schon ab dem nächsten Jahr anzuheben.

Dem Finanzsenator, der diese Steuererhöhung ablehnt, weht der Wind jetzt wieder härter ins Gesicht. Eben noch konnte er sich über unerhoffte Mehreinnahmen freuen. Der von Bund und Ländern getragene »Arbeitskreis Steuerschätzung« hatte nämlich ermittelt, daß Berlin in diesem Jahr mit zusätzlichen Steuereinnahmen in Höhe von 190 Millionen Mark rechnen könne. Ein Plus von 120 Millionen erwartet der Arbeitskreis allein im Ostteil der Stadt. Doch angesichts des neuen Milliarden-Lochs nimmt sich diese Summe wie ein Taschengeld aus.

Kritik an Pieroth kommt auch aus den Reihen der Opposition. Gerd Büttner, Haushaltsexperte von Bündnis 90/Grüne, geht es da ähnlich wie dem SPD-Mann Kern: Er vermißt in dem Papierbündel des Haushaltsplans wichtige Informationen. Über die 800 Millionen Mark, die der Senat vom Westteil in den Ostteil der Stadt umschichten will, fehle jede Detailinformation. Weder sei klar, wo im einzelnen gekürzt werde, noch habe der Senat etwa aufgeschlüsselt, wohin das Geld fließen soll.

Sozialsenatorin Ingrid Stahmer und Jugendsenator Thomas Krüger (beide SPD), die davon besonders betroffen sind, weisen die Kritik zurück. »Wir wollen unsere Einsparsumme vermindern und verhandeln deshalb noch mit der Finanzverwaltung«, begründet Stahmer die fehlenden Informationen. Freilich ist es den SenatorInnen auch nicht ganz unrecht, wenn sie in ihren Ressorts selbständig entscheiden können, welche Summen umgeschichtet werden.

Büttner dagegen will es verständlicherweise »nicht dem Gutdünken einzelner Senatsverwaltungen überlassen«, wo die Steuergelder ausgegeben werden. »Wenn das nicht durchsichtig gemacht wird«, droht der Oppositionsmann, »dann können wir uns die Beratungen im Parlament sparen.« hmt