Sowjets planen Endlager für Atommüll

■ Atommüll soll im Atombombentestgebiet Nowaja-Semlja endgelagert werden

Vadsö/Norwegen (taz) — Die Sowjetunion plant auf der im Nordmeer gelegenen Insel Nowaja-Semlja ein riesiges Endlager für Atommüll. Entsprechende Pläne wurden von sowjetischen Wissenschaftlern auf einer nordischen Umweltkonferenz im norwegischen Vadsö bekanntgemacht. Der Atommüll soll in dem Gebiet gelagert werden, in welchem gleichzeitig auch in Zukunft weitere Atombombentestsprengungen stattfinden sollen. Von der norwegischen Umweltorganisation „Bellona“ wurden die Pläne daher in einer ersten Einschätzung als „blanker Wahnsinn“ bezeichnet: Die geologischen Formationen auf Nowaja- Semlja seien — wie der wiederholte Austritt von Radioaktivität nach unterirdischen Sprengungen beweise — viel zu unsicher, um für eine Lagerstätte dienen zu können. Im Zusammenhang mit weiteren Atomtests sei eine räumliche Nähe zu einem Atommülllager unverantwortlich.

Knut Gussgard, Chef der norwegischen Strahlenschutzbehörde und ebenfalls Konferenzteilnehmer nennt die sowjetischen Pläne dagegen „vernünftig“. Sie stellten zumindest eine Verbesserung der jetzigen Situation dar. Jetzt lagerten große Mengen von Atommüll unmittelbar hinter der norwegisch-sowjetischen Grenze und im nur 150 Kilometer entfernten Murmanskfjord. Nikolaj Woroschnikow, Atomphysiker aus Murmansk, hält den Zusammenhang von Atommüllager und Testgebiet für „äußerst bedenklich“. Denn weitere Atombombensprengungen sind auf Nowja-Semlja auch zukünftig geplant. Schon seit Wochen verdichten sich Gerüchte über einen neuen Test im Frühsommer. Doch Woroschnikow denkt auch an die „relative Verbesserung“: Das Zeug lagere dann jedenfalls nicht mehr direkt in unmittelbarer Nähe der Halb- Millonen-Stadt Murmansk, sondern wenigstens 600 Kilometer davon entfernt.

In letzter Zeit wurden die BewohnerInnen im Gebiet von Murmansk und in Nordnorwegen wiederholt von Meldungen über völlig ungesicherte Atommüllkippen auf der Halbinsel Kola, in unmittelbarer Nähe dichtbewohnter Gebiete, beunruhigt. Bis 1982 hatte die Sowjetunion ihren Atommüll einfach im Eismeer versenkt. In der Nähe von Nowaja-Semlja und Archangelsk sollen sich solche Atommüllfriedhöfe befinden. Auch in den letzten Jahren gab es wiederholt Hinweise, daß diese Praxis entgegen den Beteuerungen der sowjetischen Behörden keineswegs der Vergangenheit angehört. Erst im Januar wies Arne Skjaerpe, Pressesprecher des Verteidigungskommandos Nordnorwegen vor der Presse auf entsprechende Beobachtungen der norwegischen Luftwaffe hin: „Wir haben keinen Beweis, aber wir beobachten regelmäßig verdächtige Schiffe, die dort etwas abladen.“ Reinhard Wolff