Äthiopien verkauft Israel seine Juden

14.500 äthiopische Juden in einer massiven Luftbrücke nach Israel ausgeflogen/ Tel Aviv zahlt Addis Abeba 35 Millionen Dollar und sichert der äthiopischen Regierung eine günstige Position bei den heute beginnenden Verhandlungen mit den Rebellen  ■ Aus Tel Aviv Amos Wollin

In einer Blitzaktion unter dem Namen „Operation Salomon“ sind am Wochenende 14.500 äthiopische Juden mit Hilfe von 21 Militär- und 9 Zivilflugzeugen in insgesamt 41 Flügen von Addis Abeba nach Israel gebracht worden. Die innerhalb von 30 Stunden beendete Operation wurde vom Kommandanten der israelischen Luftwaffe geleitet. Die Oberaufsicht hatte der stellvertretende Stabschef der israelischen Armee, Amon Schachak, der zeitweilig selbst in Addis Abeba die Evakuierung überwachte. Nach israelischen Angaben sind jetzt noch 2.000 Juden in Äthiopien. Auch sie sollen so bald wie möglich ausgeflogen werden.

Das erste der überfüllten Boeing- Passagierflugzeuge und Herkules- Transportmaschinen landete in Israel am Freitag gegen 17 Uhr. Samstag nachmittag war „Operation Salomon“ beendet. In 250 Bussen wurden die Neueinwanderer vom Flugplatz in 50 Auffangzentren in allen Landesteilen gebracht. Dort werden sie vorübergehend in Baracken und Hotels untergebracht. Der totalen Nachrichtensperrre folgte eine Flut von Berichten, die alle anderen Themen in den israelischen Medien verdrängen.

Im ersten Jahr ist die „Jewish Agency“ für die Integration der Neueinwanderer verantwortlich. Nach ihren Angaben werden dafür 150 Millionen Dollar benötigt. Israel hofft, das Geld aus den USA und durch Spenden von im Westen lebenden Juden zu bekommen. Nach Regierungsangaben sollen die Äthiopier nicht in den besetzten Gebieten angesiedelt werden.

Schwierigkeiten für die „Operation Salomon“ gab es noch in letzter Minute wegen Differenzen zwischen den Israelis und den äthiopischen Behörden, die der Operation bereits zugestimmt hatten. Auf dem Flughafen drängten sich dann auch viele Nichtjuden, die mit den israelischen Evakuierungsflügen aus dem Bürgerkriegsland fliehen wollten. Nach Angaben israelischer Stellen wurden aber ausschließlich die zuvor in der israelischen Botschaft registrierten Juden in die Flugzeuge gelassen.

Die eilige Evakuierung wurde durch intensive diplomatische Intervention der US-Regierung ermöglicht, noch bevor Äthiopiens Aufständische weiter Richtung Hauptstadt vormarschierten.

Heute beginnen in London Verhandlungen zwischen der äthiopischen Regierung und den Rebellen. Die äthiopische Regierung soll sich nach Angaben israelischer Diplomaten erst mit der Evakuierung einverstanden erklärt haben, nachdem US- Diplomaten ihr versprachen, bei diesen Verhandlungen eine für sie günstige Kompromißlösung zu vermitteln. Der äthiopische Präsident Tesfaye habe erst sein Okay gegeben, nachdem er eine schriftliche Unterstützungszusage des US-Präsidenten erhalten habe. Nach amerikanischen Berichten hat Israel der äthiopischen Regierung 35 Millionen Dollar für die Ausreise der Juden bezahlt. Der israelische Militärsprecher Oberstleutnant Ranan Gissis erklärte in Addis Abeba, man habe das Geld in letzter Minute bezahlt, „weil es sonst nicht gegangen wäre“. Das Geld soll von Washington vorgestreckt worden sein.

Die „Operation Salomon“ wurde langfristig geplant. Ein Sonderbeauftragter der israelischen Regierung, Ex-Mossad-Agent Uri Lubrani, hatte die „Geheimmission Äthiopen“ bereits im September 1990 übernommen und die Verhandlungen mit Mengistu geleitet. Ein Koordinierungsausschuß aus hohen Militärs, Regierungsvertretern und Beamten der „Jewish Agency“ hatten exakte Modelle und Aktionspläne für die Luftbrücke und die Verteilung der Neueinwanderer in allen Landesteilen erarbeitet.

Lubrani lobte gestern die außerordentlich enge Zusammenarbeit zwischen Israel und den USA. Laut Lubrani gab es in der äthiopischen Führung nach Mengistus Flucht Meinungsverschiedenheiten darüber, ob es vorteilhafter sei, die Juden weiterhin quasi als Geiseln zu halten oder sich auf das Angebot der Amerikaner einzulassen. Schließlich siegte der gegenwärtige Präsident Tesfaye, der eine enge Kooperation mit den USA befürwortet. Die israelische Verhandlungsweise in Addis Abeba sichert nach Lubranis Ansicht langfristig die einflußreiche Position der israelischen Botschaft in Äthiopien. Über die Amerikaner unterhält Israel indirekt auch Kontakte zu den äthiopischen Rebellen.