Subventionskahlschlag geplant

Bericht über geplante Streichung von Steuerfreibeträgen und Subventionen schreckt Bonn auf/ Regierungssprecher Dieter Vogel: Es gibt keine verkappten Steuererhöhungen  ■ Von B. Müllender / D. Riedel

Bonn/Berlin (taz) — Wird jetzt doch die Sonntagsarbeit besteuert? Müssen geringfügig Beschäftigte künftig 19 statt 15 Prozent von ihrem kärglichen Lohn an Steuern zahlen? Werden Zeitungen und Bücher teurer, weil auf sie künftig 14 statt wie bisher sieben Prozent Mehrwertsteuer erhoben werden? Müssen kleine Zeitungen dichtmachen, weil der (noch preisgünstigste) Postvertrieb deutlich verteuert wird? Diese Punkte jedenfalls nannte die 'Süddeutsche Zeitung‘ in ihrer gestrigen Ausgabe als Teile des Möllemannschen Zehn-Milliarden-Subventionsabbauplans.

Zu diesem Bericht nahm gestern nachmittag Regierungssprecher Dieter Vogel Stellung. Lässig versuchte er, die „angeblichen oder tatsächlichen Steuerabsichten, von denen wir alle gelesen haben“, als „Melodienansätze aus dem politischen Souterrain“ abzutun. Da habe jemand „eine alte Steinbruchliste hervorgeholt“ — gemeint ist ein Sammelsurium vergleichsweise kleiner und kleinster Steuerbröckchen, die sich zu einem Berg an neuen Steuereinnahmen aufhäufen lassen. „Nichts ist entschieden, nichts ist beschlossen“, sagte Vogel, insbesondere sei niemand aus der Koalitionsrunde ermächtigt gewesen, „autoritative Äußerungen über unsere Subventionsabbauvorstellungen“ zu machen. Aber Vogel dementierte auch keinen einzigen der von der 'Süddeutschen‘ genannten neuen Steuerbrocken.

So scheint zumindest die Mehrwertsteuererhöhung für Druckerzeugnisse ernsthaft von der Ministerarbeitsgruppe zum „Abbau von Finanzhilfen“ diskutiert worden zu sein. Denn die zweite Bonner Arbeitsgruppe zum selben Thema namens „Steuerlicher Subventionsabbau“ — angesiedelt bei der Koalition — sprach sich gestern entschieden gegen den Vorschlag der Truppe unter Leitung von Wirtschaftsminister Möllemann aus, alle Druckerzeugnisse künftig mit dem vollen Mehrwertsteuersatz zu belegen. Die Steuerpolitiker strebten hingegen „den reinen Subventionsabbau“ an sowie die Beseitigung von Rechtslücken und von Mißbräuchen an „und nicht neue Steuererhöhungen“, verlautete aus der Parlamentariergruppe.

Diese Gruppe nannte statt dessen einige ihrer 16 Punkte, mit denen sie dem Staat jährlich insgesamt 5,23 Milliarden Mark mehr in die Kassen spülen will:

—Die Eigenheimförderung nach Paragraph 10e des Einkommensteuergesetzes soll künftig nur noch Menschen gewährt werden, die als Ledige über weniger als 120.000 Mark Jahreseinkommen verfügen. Dadurch sollen 600 Millionen Mark Steuermehreinnahmen pro Jahr erzielt werden. Die Bausparförderung, die wohl ebenfalls in der Diskussion gewesen ist, soll dem Vernehmen nach doch nicht gestrichen werden.

—Geldspielautomaten sollen künftig der Umsatzsteuer unterliegen, macht Steuermehreinnahmen von 300 Millionen Mark.

—Motorboote sollen als Kraftfahrzeuge gelten und künftig Kfz-steuerpflichtig werden: weitere 30 Millionen Mark. Die Steuerbefreiung für bestimmte Kfz-Anhänger wird aufgehoben, was für den Staat 200 Millionen Mark Einnahmen bedeutet.

—Lebensversicherungen sollen nicht mehr von Unternehmern mißbräuchlich zugunsten der Firma beliehen werden können. Allein das soll etwa zwei Milliarden Mark in die Bonner Haushaltskasse bringen.

Doch auch wenn noch „gar nichts entschieden“ ist, mußte Regierungssprecher Vogel gestern zugeben, daß man am Morgen in der Koalitionsrunde über die Berichte der 'Süddeutschen‘ gesprochen hatte — und das wohl sehr ausführlich und nicht eben erfreut. Denn, das gestand Vogel ein, die Debatte über die Informationsleckage in den eigenen Reihen „hat sehr viel Zeit in Anspruch genommen“, weswegen die abschließende Aussprache der Ministerrunde über den Vertrag mit Polen zu kurz kam. Nach etwa einer guten halben Stunde, so Vogel, „waren die drei Parteivorsitzenden auf einmal weg“, und man habe das Thema abbrechen müssen. Heute vormittag soll es nach der ungeplanten Vertagung abschließend weitergehen.