Raritäten-Konzert

■ Geigerin und Bläser begeisterten in der Glocke

Vor der Sommerpause griff das philharmonische Staatsorchester noch einmal tief in die Raritätenkiste. Kompositionen von Bartok und Schostakowitsch sind allerdings nicht jedermanns Sache — die „Glocke“ war am vergangenen Montagabend bei weitem nicht ausverkauft.

Im ersten Teil stellte sich die gerade Neunzehnjährige Geigerin Isabelle Faust vor. Das Nachwuchstalent hatte sich an Bartoks zweites Violinkonzert herangewagt, ein Werk, das hohe Anforderungen stellt. Isabelle Faust bestach durch große rhythmische Prägnanz, überlegte Tempowahl und tiefes Einfühlungsvermögen in den deklamatorischen Melos des Werkes. Das Staatsorchester unter dem jungen uruguayanischen Dirigenten Carlos Calmar spielte mit viel rhythmischer Finesse. Leider waren Hörner und Posaunen manchmal zu laut. Calmar ließ das Orchester die Klangfarbenvielfalt der Partitur eindrucksvoll umsetzen. So fanden Orchester und Solistin zu einer einheitlichen Darstellung, die das Publikum zu Beifallsstürmen hinriß.

In der Aufführung der „Stalingrader“ achten Sinfonie c-moll von Schostakowitsch liefen vor allem die Bläser zur Höchstform auf, um ihrem unglaublich vertrackten Part gerecht zu werden. Calmars Interpretation fehlte jedoch die Gestaltung großer Spannungsbögen, vor allem in den langsamen Sätzen I und IV. Scherzo und Toccata hatten immerhin den nötigen ironischen „Biß“ — Calmar widerstand der Versuchung, zu schnelle Tempi zu wählen. Insgesamt dirigierte Calmar aber eher grobe Umrisse, wo es auf genaue Zeichnung ankam, zum Beispiel gleich zu Beginn der Sinfonie: Dort fehlten dirigentische Impulse, um die langen Melodiebögen plastisch zu gestalten. Die Aufführung hinterließ großen Eindruck, und die Musiker erhielten nach einem Moment ergriffener Stille wohlverdienten langen Applaus. Gunnar Cohrs