Zwischen Tradition und Moderne

■ Das ZDF zeigt im Filmforum eine Reihe schwarzafrikanischer Spielfilme: Viva Afrika!

Die Unsitte, Titel ausländischer Filme mit konstanter Boshaftigkeit zu verändern und mit teilweise erheblichem Aberwitz ihres ursprünglichen Sinns zu berauben, ist hinlänglich bekannt. Daß sich dieses besondere Talent in jenen Genres austobt, die zu meist nächtlicher Stunde auf preiswerte Weise die privaten Frequenzen füllen, mag man desinteressiert, zuweilen auch amüsiert registrieren. Blanker Zorn überkommt einen jedoch angesichts der Deformationen, die sich insbesondere die Filmtitel junger und hierzulande unbekannter Regisseure gefallen lassen müssen. Ein Beispiel dieser offenbar aus einem tiefen Mißtrauen gegen den Zuschauer resultierenden Manie liefert uns heute Abend das ZDF. Es eröffnet seine Reihe schwarzafrikanischer Spielfilme „Viva Afrika!“ mit der Komödie Bal Poussière, gedreht 1988 von Henri Duparc. Welcher Teufel mag wohl den zuständigen Herrn vom Lerchenberg geritten haben, als er das „Fest im Staub“ zu einer Orgie aus „Liebe, Sex und Ananas“ umdichtete und damit seine engagierte Reihe mutwillig diskreditierte? Der Film jedenfalls hat den dümmlichen Titel nicht verdient.

Henri Duparc, 1941 als Sohn eines Plantagenbesitzers in Ghana geboren, entdeckte seine Liebe zum Kino in den Filmvorführungen der Cinemathèque Francaise in Paris. Er studierte 1962-1964 an der Belgrader Filmhochschule und anschließend an der Pariser IDHC. Sein erster Spielfilm Abusan war 1972 an der Elfenbeinküste ein großer Publikumserfolg — wie Bal Poussière im Sommer 1989 in den Pariser Kinos, nachdem er auf dem Komödienfestival in Chamrousse mit zwei Preisen ausgezeichnet worden war. Der Film erzählt die Geschichte vom Ananas-Magnaten und Lokal-Matador Demi Dieu, der seinem Haushalt eine sechste Frau einverleibt und sich damit übernimmt. Binta nämlich, stadterfahren, modern und selbstbewußt, ist durchaus nicht gewillt, Demi Dieus provinzielle Selbstherrlichkeit anzuerkennen. In ihre ehelichen Auseinandersetzungen werden auch seine fünf anderen Frauen mithineingezogen, was seiner Autorität und polygamen Ruhe keineswegs förderlich ist. Duparc inszeniert diesen Konflikt zwischen Tradition und modernem Denken liebevoll, mit kritischem Blick für entlarvende Details — und mit einem versöhnlichen Schluß, der eine (typisch afrikanische?) Ordnung ohne Anspruch auf letzte Gültigkeit etabliert. Dies und die komödiantische Leichtigkeit seiner Personen, Situationen und Dialoge begründen Duparcs Popularität insbesondere bei seinen schwarzafrikanischen Zuschauern.

Im Anschluß an den Spielfilm zeichnet der aus Sierra Leone stammende Journalist Gaston Bart-Williams in seiner Dokumentation Viva Afrika! (23.35 Uhr) die Entwicklung des schwarzafrikanischen Films nach. Seit Beginn der 60er Jahre entsteht mit dem Ende der Kolonialherrschaft in vielen afrikanischen Staaten ein eigenständiges Kino, für das Ousmane Sembènes La Noire de ... von 1966 zum programmatischen Aufbruch in eine genuin schwarze Identität wird. Die in dieser Tradition entstehenden Spielfilme verfehlen jedoch lange ihr afrikanisches Zielpublikum aufgrund der europäischen Monopolstellung in Verleih und Spielstätten. Dies ändert sich erst Mitte der sechziger Jahre mit der Gründung einer rein afrikanischen Distributionsgesellschaft. Die wichtigsten und künstlerisch anspruchsvollsten Filme kommen aus den frankophonen Ländern Burkina Faso (wo seit 1969 zweijährlich das Filmfestival „Fepasco“ stattfindet), aus Senegal, Mali, Mauretanien und Elfenbeinküste. Die international bekanntesten und innovativsten Regisseure sind neben Sembène: Souleymane Cissé, Moustapha Dao, Duparc, Med Hondo und nicht zuletzt Idrissa Ouedraogo, dessen in Cannes preisgekrönter Film Yaaba ebenfalls in der ZDF-Reihe gezeigt wird: eine melancholische Geschichte, die von der Freundschaft zweier Kinder zu der ausgestoßenen „Dorfhexe“ ihres Stammes erzählt.

Als Beitrag zu einer kritischen europäischen Spiegelung der Kolonialgeschichte zeigt das ZDF die beißende Satire Sehnsucht nach Afrika von 1977, einen Film von Jean-Jaques Annaud (Am Anfang war das Feuer, Der Name der Rose). Sein Film entstand in einer Koproduktion Frankreich/Elfenbeinküste und spielt 1919 in einem kleinen Stützpunkt in Französisch-Äquatorialafrika. Um fünf Jahre verspätet platzt mit einem Stapel alter Zeitungen der Ausbruch des 1. Weltkriegs in die brüchige koloniale Idylle.

Trotz der gewohnt späten Sendezeit öffnet das ZDF mit dieser Reihe einer breiten Öffentlichkeit den Blick auf den Filmkontinent Schwarzafrika, wie er sich sonst nur in den Nischen der Programmkinos bietet: Viva Afrika! Barbara Häusler

Weitere Termine des ZDF-Filmforums:

6. Juni, 23.40 Uhr: Yaaba (Idrissa Ouedraogo, 1989)

9. Juni, 23.55 Uhr: Die Stimme des Waldes (Issiaka Konate, 1989); Die Eselin Fary (Mansour Sora Wade, 1989)

12. Juni, 22.40 Uhr: Das Champ der Verlorenen (Ousmane Sembène, 1987)

26. Juni, 22.40 Uhr: Sehnsucht nach Afrika (Jean-Jaques Annaud, 1977)

5. Juli, 14.15 Uhr: Das Leben ist schön (Benoit Lamy, 1987)