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Pflegefall Pflegeversicherung

Die sozialpolitische „Jahrhundertaufgabe“ sorgt für Streit innerhalb und unter den Parteien  ■ Von Annette Schiffer

Bonn (taz) — „Die größte Kulturleistung eines Volkes sind die zufriedenen Alten“; Mit dieser japanischen Weisheit wirbt die CDU-Seniorenunion für Norbert Blüms Modell der gesetzlichen Pflegeversicherung. Von 2 Millionen Pflegebedürftigen sind 370.000 in Heimen und Krankenhäusern untergebracht. 70 % aller Pflegefälle, die in Heimen leben, sind in die Sozialhilfeabhängigkeit abgerutscht. Von der kleinen Rente kann der bis zu 4.500 Mark teure Heimplatz nicht aufgebracht werden. Folge: Armut und Unzufriedenheit bei vielen hilfsbedürftigen Rentnern. In den Koalitionsvereinbarungen haben CDU und FDP sich die Vorlage eines Gesetzes zur Absicherung bei Pflegebedürftigkeit bis Ende 1992 vorgenommen. Der von Norbert Blüm vorgelegte Entwurf sieht eine Pflegeversicherung als eigenständigen Zweig der gesetzlichen Krankenversicherung vor. Die Kosten werden von Arbeitnehmer und Arbeitgeber hälftig übernommen. Von staatlicher Seite soll mit Einsparungen im Sozialhilfebereich durch die neue Pflegeversicherung eine Unterstützung des Blüm-Modells erreicht werden. Die CDU Mittelstandsvereinigung will eine Pflegeversicherung à la Blüm mit der Gewerbesteuer ankurbeln. Denn die große Belastung von Städten und Gemeinden durch die steigenden Sozialhilfekosten könnten durch eine Erhöhung der Gewerbesteuer ausgeglichen werden. Rudolph Dreßler, stellvertretender SPD—Fraktionschef, wirft der CDU Konzeptlosigkeit bezüglich der Diskussion über das Blüm-Modell vor. Während die Opposition dem Konzept größtenteils zustimmt, ist es von der eigenen Gesamtpartei nicht gedeckt. Und dabei wünschen sich alle Parteien einen Konsens bei dieser, so Ulf Fink, CDU, „Jahrhundertaufgabe“.

Probleme bereitet hier vor allem der Koalitionspartner FDP. Graf Lambsdorff und seine Liberalen treten nach wie vor für eine private Absicherung des Pflegerisikos ein. Der Grund: das Blüm-Modell führt zu einer Ausweitung der Lohnnebenkosten. Das bedeutet, der größte Teil der Pflegebedürftigen — rund 2 Millionen — können sich eine private Pflegeversicherung nicht leisten. Unverfroren redet der Sprecher der Jungliberalen, Mathias Buhlert, bei diesen Aussichten von „Fehlern des Sozialsystems, die bei der Pflegeversicherung nicht wiederholt werden dürfen“. Einigkeit besteht nur bei der Absicherung der häuslichen Pflege. Ambulante Pflegehilfen und Dienste sollen gefördert werden, um dem Pflegefall durch die Familie ein hohes Maß an persönlichem Freiraum zu garantieren. Töchter und Söhne, die ihre pflegebedürftigen Eltern betreuen, sollen diese Tätigkeit auf ihre Rente anrechnen können. „Den toten Winkel Pflegerisiko“ möchte Norbert Blüm noch in dieser Legislaturperiode in den Griff bekommen. „Sofort wirksam, sozial und systemgerecht“ soll es sein, das Blüm-Modell, doch wie will der Bundesarbeitsminister an dem Problem des Pflegenotstandes in Krankenhäusern und Pflegeheimen vorbeikommen? Für das materielle Risiko im Pflegefall wäre gesorgt, nur die ausführende Hand — das Pflegepersonal — wird weiterhin schlecht bezahlt und überfordert.

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